Wenn Du Autist bist und diesen Beitrag liest, hast Du ihn vermutlich zu spät gelesen. Denn beim Staat sind nur diejenigen Autisten unterstützungswürdig, die eine Diagnose bis zum Alter von 5 Jahren bekommen haben. Alle anderen Autisten müssen selber schauen wo sie bleiben. Sogar der Gemüsehändler auf dem Wochenmarkt offeriert mit seiner freundlichen Art mehr Unterstützung, als man vom Staat bekommen wird.

Bist Du jung genug für Unterstützung

Autismusverantwortliche beim Bund

Anfang Dezember habe ich dem BSV folgende Anfrage zugestellt:

Können Sie mir mitteilen, welche Bundestelle für Autismus zuständig ist? Gibt es da irgendwelche verantwortliche Personen oder Spezialisten, welche man für ein paar Fragen kontaktieren könnte?

Genau 7 Tage später habe ich eine Antwort erhalten. Das ging erstaunlich schnell. Das Antwortschreiben war sehr ausführliche und hat noch sehr viele Dinge beleuchtet, welche ich nicht angefragt habe. Ich bin deswegen aber nicht unglücklich. Im Gegenteil. Das Antwortschreiben allerdings hat mich schon etwas nachdenklich gemacht…

Die Antwort

Es ist wichtig zu wissen, dass für die Betreuung eines Kindes mit Autismus oder mit einer anderen Behinderung nicht alleine die IV zuständig ist. Die Kantone und Gemeinden nehmen ebenfalls eine wichtige Rolle ein. Seit die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung (NFA) im Jahre 2008 in Kraft getreten ist, sind die Kantone und die Gemeinden zuständig für die pädagogisch-therapeutischen Massnahmen und übernehmen auch deren Finanzierung. In diesem Sinn ist der Kanton für Unterrichts- und Fördermittel zuständig. Seit einigen Jahren wird innerhalb der Regelstrukturen vermehrt auf die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geachtet – insbesondere auf Stufe der obligatorischen Schule.

Es gibt keine Bundesstelle, die für das Thema Autismus zuständig ist – das Thema wird jedoch in verschiedenen Sozialversicherungen aufgegriffen. Bei der Invalidenversicherung werden medizinische Massnahmen für eine Autismus-Spektrum-Störung unter dem Art. 13 IVG (bis zum vollendeten 20. Altersjahr) von der IV nur dann zugesprochen, wenn die Merkmale vor dem vollendeten 5. Lebensjahr erkennbar werden. Eine psychotherapeutische Behandlung kann unter Art. 12 IVG dann übernommen werden, wenn sie zu einer nachweislich besseren schulischen oder beruflichen Integration führt und dies für maximal zwei Jahre nach ärztlicher Indikation.

Die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung ist primäres Ziel der IV. Mit der am 15. Februar 2017 vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zur Weiterentwicklung der IV werden die bereits bestehenden Anstrengungen in dieser Hinsicht verstärkt. Für Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung sind im Rahmen der Weiterentwicklung der IV eine Anpassung der Angebote und eine engere Begleitung angedacht. Zudem fanden im Jahr 2017 drei Nationale Konferenzen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen statt. Auch der neuste Bericht über die Behindertenpolitik will die Gleichstellung der Behinderten auf dem Arbeitsmarkt fördern.

Weiter kann ich Sie an die Organisation der privaten Invalidenhilfe, z.B. Autismus Schweiz https://www.autismus.ch/, verweisen, die von der IV mitfinanziert werden, und Ihnen als Fachspezialisten fundierte und übergreifende Auskunft geben können.

Freundliche Grüsse
 
xxxxxx 
Fachspezialistin
 
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

Geschäftsfeld Invalidenversicherung

Spät diagnostizierte Autisten bekommen vom Staat keine Unterstützung

Die Aussagen sind leider nicht sehr ermutigend. Menschen welche nicht bis zum Alter von 5 Jahren eine Diagnose bekommen haben (und das sind nicht wenige), werden komplett alleine gelassen. Als ich 5 Jahre jung war wusste man medizinisch noch nicht einmal, was eine Autismus-Spektrum-Störung ist.

Nicht diagnostizierte Erwachsene leben vielfach kein einfaches Leben und kommen oftmals per Zufall und meistens aus eigenem Antrieb zu einer späten Diagnose. Dass diese spät diagnostizierten Erwachsenen vom Staat nicht als solche Autisten wahrgenommen- und von Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden, ist gelinde gesagt ein Skandal.

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Beruf

Wenn ein Autist befähigt ist einen Beruf auszuüben, bedeutet das nicht, dass alles in Ordnung ist. Wer keinen grosszügigen und verständnisvollen Arbeitgeber hat, welcher einigermassen auf die Bedürfnisse eines Autisten eingehen kann, wird am Arbeitsplatz leiden. Oftmals wird dann das Arbeitsverhältnis sehr schnell wieder aufgelöst. Und dies macht sich bei Bewerbungen für eine andere Stelle nicht besonders gut. Hier könnten betroffene Person Unterstützung gebrauchen.

Nur schon die Möglichkeit mit einer unabhängigen Person über bestimmte Situationen sprechen zu können, wäre hilfreich. Natürlich kann man das bereits heute tun. Doch 250 Franken für eine 45 Minuten-Sitzung zaubere auch ich nicht einfach so aus dem Hut. Ich wäre zum Beispiel froh bei beruflichen- wie auch privaten Fragen ein Coaching in Anspruch nehmen zu können, da ich mich manchmal mit dem Fällen wichtiger Entscheidungen schwer tue. Zudem würde ich einen regionalen Treffpunkt für Betroffen begrüssene. Ein Treffpunkt mit einem Büro, an dessen Türe man ungeniert anklopfen und sich beraten lassen könnte.

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