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Worum es geht im Schweizer Autismus-Spektrum-Bericht
Die Situation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Autismus-Spektrum- Störungen (kurz ASS) soll in der Schweiz verbessert werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Eidgenössische Departement des Innern eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern von Kantonen, Bund und anderen betroffenen Akteuren (Elternvereinigungen, Fachgesellschaften) eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe hat unter der Leitung des BSV geprüft, wie aus den im Bericht zum Postulat Hêche formulierten Empfehlungen eine gemeinsame Vision entwickelt werden kann.
Der nun vorliegende Bericht des Bundesrats basiert auf den Vorarbeiten dieser Arbeitsgruppe. Er setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen: Zunächst werden drei Handlungsschwerpunkte definiert, die prioritär anzugehen sind, um eine langfristige Verbesserung zu erreichen. Dann listet der Bericht anhand der aktuellen Situation und dem daraus folgenden Handlungsbedarf konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Situation auf. Da die meisten Massnahmen nicht in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sind die im Bericht aufgeführten Prioritäten und Handlungsempfehlungen für Kantone, Leistungserbringer wie auch weitere Akteure gleichermassen als Anregung und Grundlage für die Umsetzung von Massnahmen zur Optimierung der Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ASS zu verstehen. Der Bericht zeigt überdies auf, welches die geschätzten Kostenfolgen der angeregten Massnahmen für die verschiedenen Akteure wären.
Dieser Bericht
Ich habe diesen Bericht studiert und versucht, ihn etwas zu kürzen, dass er einigermassen lesbar ist. Zudem habe ich noch einige Anmerkungen meinerseits eingefügt. Den Interessierten Personen wünsche ich viel Vergnügen.
Internationale Einbettung
Im Bereich Autismus fordert der UNO-Kinderrechtsausschuss in einer Empfehlung die Schweiz auf, die spezifischen Bedürfnisse von Kindern mit ASS in allen Kantonen aufzugreifen und insbesondere sicherzustellen, dass diese Kinder in sämtlichen Bereichen des sozialen Lebens vollständig integriert werden, einschliesslich in Freizeit- und kulturellen Aktivitäten. Des Weiteren empfiehlt der Ausschuss der Schweiz, der Integration der Kinder eine höhere Priorität beizumessen. Ausserdem sollen Früherkennungsmechanismen eingerichtet und Fachkräfte angemessen ausgebildet werden. Ferner empfiehlt der Ausschuss, dass diese Kinder in wissenschaftlich fundierte Frühförderprogramme aufgenommen werden. Leider wird ASS bei Erwachsenen nicht erwähnt, was in meinen Augen despektierlich ist.
Einbettung in die nationale Gesundheitspolitik
Im Schweizer Gesundheitswesen verteilen sich Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf Bund, Kantone und Gemeinden. Die Gesundheitspolitik kann einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten, unter anderem indem sie die Qualität der Versorgungsangebote und somit bessere Chancen auf eine Linderung des Leidens fördert.
In der nationalen Gesundheitspolitik besteht eine der grossen Herausforderungen im Gesundheitssystem in der Durchlässigkeit und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen. Strukturen, Prozesse und Angebote sind so weiter zu entwickeln, dass sie die Durchlässigkeit zwischen dem ambulanten, intermediären und stationären Versorgungsbereich verbessern. Bei der Übergabe von Behandlung und Begleitung chronischer Erkrankungen (wie z.B. ASS) vom Jugend- zum Erwachsenenbereich sind die Übergänge zu fördern. Studien zeigen, dass hierbei oftmals Anschlussangebote fehlen. Angebote, die ineinander übergreifen dienen dazu, dass gerade verletzbare Menschen mit einer chronischen Erkrankung bzw. Beeinträchtigung– wie ASS – sich besser im Gesundheitssystem zurechtfinden können. Die Verbesserung der Versorgungsstrukturen setzt entsprechend aus- und weitergebildetes Fachpersonal voraus. Mit der zunehmenden Ausrichtung auf interprofessionelle Zusammenarbeit tragen die Lerninhalte der universitären und nicht universitären Aus- und Weiterbildung den Anforderungen einer integrierten Versorgung Rechnung.
Grundlagen
Autismus-Spektrum-Störungen
Autismus-Spektrum-Störungen sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die sich häufig bereits im frühen Kindesalter manifestieren und lebenslang andauern. Im Kapitel «F84: Tiefgreifende Entwicklungsstörungen» liefert die ICD-10 die folgende, weitgehend anerkannte Definition:
«Diese Gruppe von Störungen ist gekennzeichnet durch qualitative Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten».
Die ICD-10 unterscheidet zwischen mehreren Diagnosen. Die wichtigsten sind:
- frühkindlicher Autismus (F84.0)
- Asperger-Syndrom (F84.5)
- atypischer Autismus (F84.5)
Diese Unterteilung verliert immer mehr an Wichtigkeit. Der DSM-5 macht innerhalb der ASS keine Unterscheidung mehr. Auch die neue Version der ICD (Juni 2018) hat den Begriff «Autismus-Spektrum-Störungen» übernommen und auf die Unterscheidung in Unterdiagnosen verzichtet. Ebenso zeigt die empirische Evidenz gemäss der deutschen Leitlinien, dass sich Untergruppen, wie sie in der ICD-10 vorgeschlagen werden, nicht verlässlich abgrenzen lassen.
Viel wichtiger ist, dass ASS in unterschiedlichen Schweregraden auftreten kann, mit Ausprägungen, die eine verbale Kommunikation und ein mehr oder weniger selbstständiges Leben ermöglichen oder aber mit deutlich schwerwiegenderen Störungen einhergeht, wie z.B. den stark stereotypen Verhaltensweisen oder der Minderintelligenz, die gehäuft bei Kindern mit frühkindlichen ASS auftritt. Daneben können auch damit zusammenhängende Krankheiten wie Epilepsie, ADHS oder Verhaltensstörungen das Bild erschweren. Weiter verfügen die Betroffenen über ganz unterschiedliche Ressourcen, die den Umgang mit der Krankheit stark beeinflussen können. Um dieser Heterogenität Rechnung zu tragen, wird daher der Begriff «Autismus-Spektrum-Störungen» verwendet.
Epidemiologie
Aktuelle epidemiologische Forschungen in verschiedenen Ländern zeigen eine Häufigkeit von ASS von ungefähr einem Prozent. Doch die Schätzungen variieren je nach verwendeter Methode sehr stark. Insgesamt wird seit den Neunzigerjahren von einer Zunahme der Diagnose ausgegangen, welche unter anderem auf die verfeinerten Diagnoseinstrumente zurückzuführen ist. Für die Schweiz fehlen entsprechende Angaben und epidemiologische Forschungen, was für ein solch reiches Land eher beschämend ist. In den letzten zehn Jahren wird auch hierzulande ein Anstieg der Autismusdiagnosen festgestellt. Die Schweiz dürfte sich langsam an die heute wissenschaftlich meist zitierten Prävalenzraten von einem Prozent der Gesamtbevölkerung annähern. Studien schätzten, dass 25 bis 30 Prozent davon eine schwere autistische Störung in Form eines frühkindlichen Autismus haben. Für diese Fälle ist jedoch kaum ein Anstieg an Diagnosen festzustellen. Die erwähnte Zunahme ist hingegen bei den weniger schwer betroffenen Kindern erkennbar und insbesondere auf den Zuwachs der Diagnosen «Asperger-Syndrom» bzw. «High-Functioning-Autismus» zurückzuführen.
Akteure, Zuständigkeiten und Finanzierung
Durch das föderalistische System sind die Zuständigkeiten in der Schweiz im Bereich der ASS breit verteilt. Neben den institutionellen Kostenträgern sind zahlreiche andere Akteure involviert. Diese Komplexität darf bei der Erarbeitung einer gemeinsamen und koordinierten Vorgehensweise im Autismusbereich nicht ausser Acht gelassen werden. Ein zentrales Element für die erfolgreiche Umsetzung der vorgeschlagenen Verbesserungen ist deshalb die Zusammenarbeit und Koordination aller involvierten Akteure. Das föderalistische System ist vermutlich auch dafür verantwortlich, dass die Schweiz im Bereich ASS weit hinter anderen Ländern liegt.
Eine koordinierten Vorgehensweise ist insbesondere in denjenigen Bereichen notwendig, in welchen aktuell eine Koordination und deshalb häufig eine eindeutige Zuweisung der Kompetenzen und Verantwortungen fehlen. Dies ist beispielsweise in der Vorschulzeit, bei den Freizeitangeboten, den Übergangsphasen und bei nicht klar definierten Wohnformen der Fall. Innovative Konzepte der Wohnunterstützung befinden sich oft an einer Schnittstelle zwischen institutionellem Wohnen und Wohnen zu Hause. Deren Finanzierung fällt deswegen in keinen klaren Zuständigkeitsbereich. Beim Übergang zwischen Schule (kantonale Kompetenz) und Berufsbildung (in IV-Kompetenz bei Gesundheitsschäden) muss der Zuständigkeitswechsel begleitet und koordiniert werden, damit keine Lücken entstehen. Es besteht weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene ein gesetzlicher Auftrag für die Unterstützung von Freizeitangeboten; interdisziplinäre Massnahmen in der Vorschulzeit bringen Abgrenzungsfragen und Finanzierungsstreitigkeiten mit sich. Das ist auch der Grund, dass viele Betroffene keine oder nur unzureichende Unterstützung erhalten.
Laufende Programme und Projekte
Als zentrale Herausforderung für die Behindertenpolitik von Bund und von Kantonen beschreibt der Bericht das Ziel, die Behindertenpolitik als bereichsübergreifende Querschnittsaufgabe sowie als Koordinationsaufgabe über die föderalen Niveaus hinweg zu verankern. Diese Aufgabe kommt zur Weiterführung und Vertiefung von Massnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in einzelnen Handlungsfeldern hinzu. Bei der inhaltlichen Vertiefung steht die Förderung der Gleichstellung in der Arbeit im Vordergrund.
Die Weiterentwicklung der IV10 – deren Botschaft vom Bundesrat am 15. Februar 2017 verabschiedet wurde – sieht unter anderem Optimierungen für Kinder, Jugendliche und (junge) psychisch erkrankte Versicherte vor, die auch den Menschen mit ASS zugutekommen würden. Dabei geht es u.a. um Verbesserungen bei der Koordination, um eine engere Beratung und Begleitung von Jugendlichen und um die Flexibilisierung von Eingliederungsmassnahmen. Leider wird auch hier mit keinem Wort auf Betroffene im Erwachsenenalter eingegangen. Die scheinen innexistent zu sein.
Gesundheitsfachpersonen sollen angemessen und in ausreichender Zahl ausgebildet werden, damit den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten von Morgen Rechnung getragen und die Voraussetzung für neue Versorgungsmodelle geschaffen werden kann. (Frage: Und was ist mit den Patienten von heute?)
Betreuende und pflegende Angehörige sollen zukünftig ihre zusätzlichen familiären Verpflichtungen stärker mit ihrer Erwerbstätigkeit vereinbaren und somit besser im Arbeitsprozess bleiben können. Der Bundesrat hat am 5. Dezember 2014 den «Aktionsplan zur Unterstützung und Entlastung von pflegenden Angehörigen» verabschiedet. Dem Bundesrat wurden im Januar 2017 Vorschläge zur Umsetzung folgender Mass- nahmen des Aktionsplans vorgelegt:
- Bessere Rechtssicherheit bei kurzen Arbeitsabwesenheiten;
- Erlass einer rechtlichen Grundlage für einen Betreuungsurlaub – mit oder ohneLohnfortzahlung – oder alternative Unterstützungsmöglichkeiten für längere pfle-gebedingte Abwesenheiten
- Ausweitung der Betreuungsgutschriften der AHV.
Die entsprechende Vernehmlassung wurde im Juni 2018 eröffnet.
Zudem sollen im Rahmen des vom Bundesrat im März 2016 verabschiedeten Förderprogramms «Unterstützungs- und Entlastungsangebote für betreuende und pflegende Angehörige 2017-2020» die Bedürfnisse und der Unterstützungsbedarf von pflegenden und betreuenden Angehörigen vertieft analysiert werden.
Auch auf kantonaler und regionaler Ebene sind mehrere Projekte im Bereich Autismus in Erarbeitung oder schon umgesetzt. Besonders hervorzuheben ist in dieser Hinsicht ein Bericht des Kantons Waadt über Verbesserungen der Begleitung im institutionellen Rahmen für erwachsene Menschen mit ASS. Immerhin – im Kanton Waadt geht etwas… aber sonst ist man vermutlich noch weit weg.
Prioritäre Handlungsschwerpunkte
Mit dem vorliegenden Bericht beabsichtigt der Bundesrat, die Integration von Menschen mit ASS in die Gesellschaft soweit wie möglich zu fördern.
Der Bundesrat hat dazu drei prioritäre Handlungsschwerpunkte definiert, die eine be- sondere Beachtung verdienen:
- Früherkennung und Diagnostik
- Beratung und Koordination
- Frühintervention
Folgendes Schema zeigt das Zusammenspiel dieser drei prioritären Handlungs- schwerpunkte sowie der weiteren Handlungsfelder, welche in diesem Bericht ebenfalls thematisiert werden:
Am Anfang muss die Diagnostik stehen: nur durch eine frühzeitige, korrekte Diagnose können angemessene Fördermassnahmen zugesprochen resp. Fehlbehandlungen vermieden werden. Nach der Diagnose muss die Beratung und Begleitung der Familie sowie die Koordination der verschiedenen (Behandlungs-)Angebote einsetzen. Gleichzeitig muss bei frühkindlichem Autismus auch die (intensive) Frühintervention starten. Ziel der Frühintervention ist – wenn immer möglich – die Integration. Hierfür können die richtige Begleitung sowie die Übernahme von unterschiedlichen Koordinationsaufgaben einen grossen Beitrag leisten.
Der Bundesrat setzt die Priorität deshalb bewusst bei diesen drei Handlungsschwerpunkten. Diese Priorisierung soll die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen vereinfachen. Da aber weitere Massnahmen die Integration von Menschen mit ASS verbessern, werden auch in weiteren Bereichen von Schule über Wohnen bis hin zur Entlastung und der Freizeitgestaltung weitere Empfehlungen formuliert. Wichtig für eine angemessene Begleitung und Behandlung ist auch, dass die entsprechenden Fachpersonen adäquat ausgebildet sind, die Charakteristika der ASS kennen und mit diesen gezielt umgehen können. Auch die Datenlage im Bereich ASS soll verbessert werden.
Die prioritären Handlungsschwerpunkte sowie die weiteren Massnahmen sollen im Rahmen der geltenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen umgesetzt werden. Demnach fallen z.B. medizinische Massnahmen in die Kompetenz des Bundes bzw. der IV, wogegen z.B. die Bereiche Schule oder stationäres Wohnen in die kantonale Kompetenz fallen. Innovative Lösungen, die sich an diese Rahmenbedingungen halten, müssen geprüft werden.
Früherkennung und Diagnostik
Beurteilung der Situation
In den letzten Jahren ist eine deutliche Erweiterung und qualitative Verbesserung der Diagnostik inklusiv der Früherkennung von ASS festzustellen. Trotzdem ist die Situation regional unterschiedlich, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, wie neueste Studienergebnisse zeigen. So ist bei frühkindlichem Autismus, bedingt durch Fachkräftemangel und fehlenden Kompetenzen hinsichtlich des Autismus-Spektrums, der Zugang zu Abklärung und Diagnose in vielen Kantonen erschwert. Besonders problematisch sind die Wartefristen bis zu einem Jahr, welche eine Verzögerung der Behandlung nach sich ziehen. Eine Verbesserung der Diagnostik resp. eine Erhöhung der Anzahl Diagnosen dürfte keinen Einfluss auf die Anzahl Autismusdiagnosen haben und entsprechend auch nicht zu einer Mengenausweitung der Leistungen führen.
ASS tritt wie schon erwähnt in unterschiedlichen Schweregraden auf und das Krankheitsbild umfasst ein breites Spektrum an Merkmalen. Eine korrekte und rechtzeitige Diagnose ist deshalb zentral, damit die für die jeweils betroffene Person angemessene Behandlung und Beratung bestimmt werden kann. Bei frühkindlichem Autismus ist eine rechtzeitige Diagnose Voraussetzung für eine rasche Aufnahme der Behandlung und damit zentral für den Therapieerfolg (Therapie bedeutet nicht Heilung sondern, lernen damit umzugehen).
Auch bei Erwachsenen gibt es in der Diagnostik noch Optimierungspotenzial. Es kommt noch immer vor, dass insbesondere bei leichteren Ausprägungen der Krankheit die Probleme erst im Erwachsenenalter wahrgenommen werden. Ausserdem gibt es Fälle, in denen der Autismus in der Kindheit nicht richtig diagnostiziert wurde. Auch Erwachsene haben Anrecht auf eine korrekte Diagnose, damit sie eine angemessene Behandlung und Betreuung erhalten. Oft beginnen die Schwierigkeiten für die Erwachsenen schon mit der Suche nach einer diagnostischen Stelle Es fehlen entsprechende Informationen und Angebote.
Ziel und Massnahmen
Der Bundesrat findet, dass es nicht in jedem Kanton eine «Fachstelle für Autismusdiagnostik» benötigt. Im Forschungsbericht ist man anderer Meinung. Vielmehr soll folgendes Ziel erreicht werden:
In den Kantonen soll sichergestellt werden, dass ausreichende Kapazitäten vorhanden sind, damit alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit einem Verdacht auf ASS innerhalb einer nützlichen Frist von erfahrenen Fachpersonen untersucht werden können. Alle involvierten Akteure (wie Kinderärzte und andere Fachpersonen, die Kinder im Vorschulalter betreuen) sollten einerseits wissen, welche Verhaltensweisen auf eine ASS hinweisen können, und andererseits, an wen sie sich wenden sollen oder an wen sie die Familie verweisen können.
Zentral für die Erreichung dieses Ziels sind Angebotserweiterungen, um Überlastung und Wartezeiten zu verringern. Dies kann beispielweise mit einer Aufstockung der Fachkräfte (Ärzte und Psychologen) in bestehenden Zentren (z. B. Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste, KJPD) erreicht werden. Dort, wo der Aufbau eines solchen Dienstes nicht sinnvoll ist, weil die Anzahl Fälle zu klein ist, sollte die Zusammenarbeit mit anderen Kantonen klar geregelt werden. Dies kann in einem Zusammenschluss mehrerer Kantone oder einem geregelten und garantierten Zugang zu den Diensten anderer Kantone erfolgen. Es muss ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der geografischen Nähe und dem Zugang zu einem Dienst mit einem gut ausgebildeten, multidisziplinären Team.
Weiter muss die Qualität der Diagnostik verbessert werden. Dazu zählt eine Professionalisierung des diagnostischen Prozesses, der multidisziplinär und anhand von standardisierten, diagnostischen Instrumenten erfolgen muss.
Idealerweise umfasst die Diagnosestellung auch eine funktionelle Abklärung und verhaltensnahe Beschreibungen zu diversen Faktoren wie kognitiven Fähigkeiten, Selbstständigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz. Diese ermöglichen eine systemische Sicht auf die Person und deren Kontext sowie eine optimal ausgerichtete Intervention. Zudem helfen sie bei der Bestimmung von geeigneten pädagogisch-the- rapeutischen und beratenden Interventionen sowie der Festlegung funktioneller Ziele.
Auch die Diagnostik im Erwachsenenalter soll verbessert werden: Neben der Sicherstellung der Diagnostik per se soll auch eine Art Anlaufstelle geschaffen werden, die Auskünfte gibt, an welche Stellen man sich wenden kann. Nach der Diagnose sollte idealerweise die Beratung durch ein Kompetenzzentrum einsetzen.
Folgende Massnahmen werden prioritär erachtet.
Massnahme |
Zuständig |
Priorität |
Früherkennung und Diagnostik |
||
1. Sicherstellung der Diagnostik |
||
1.1. Genügende Ressourcen für die Diagnostik bei Kindern und Erwachsenen zur Verfügung stellen (Ärzte, Psychologen und wenn nötig weitere Fachpersonen) |
Kantone |
1 |
1.2. Zusammenarbeit zwischen Kantonen verbessern / institutionalisieren: In den Kantonen/Regionen, in denen der Aufbau eines diagnostischen Dienstes nicht sinnvoll ist, sollte die Zusammenarbeit mit anderen Kantonen geregelt werden: Es ist denkbar, dass kleine Kantone sich entweder zusammen- schliessen oder auf die Dienste anderer Kantone zugreifen können |
Kantone |
1 |
2. Verbesserung der Qualität der Diagnose |
||
2.1. Standardisierung des Diagnostikverfahrens durch Anwendung spezifischer Diagnostikinstrumente und Stützung der Diagnostik auf die Klassifikations- systeme ICD-10 oder DSM-5 sowie Erarbeiten eines entsprechenden Leitfadens14 (Kinder /Erwachsene) |
SGPP / SGKJPP |
1 |
2.2. Organisation von Ausbildungen über diagnostische Verfahren und Instru- mente |
SGKJPP / SGPP / Kantone |
2 |
2.3. Förderung der Interdisziplinarität bei der Diagnose (unterschiedliche Diagnostikinstrumente und Berufskategorien) |
Kantone / BAG (Projekt Interprofes- sionalität) |
3 |
2.4. Diagnose mit funktioneller Abklärung ergänzen |
Kantone / Fachleute |
3 |
3. Ärztliche Früherkennung verbessern |
||
3.1. Screening des ASS bei kinderärztlichen Untersuchungen fördern |
SGP / Mfe |
2 |
3.2. Lehrgänge zur Früherkennung der ASS (Screening-Verfahren), Ausbildun- gen zu CHAT usw. bei Kinderärzten und Hausärzten |
SGP / Mfe |
2 |
4. Sensibilisierung und Ausbildung von involvierten Stellen und Fachkräften |
||
4.1. Fortbildungen zur Erkennung der ASS bei Früherziehungsdiensten, Ergotherapie, Logopädie, Psychomotorik |
Berufsverbände |
1 |
4.2. Sensibilisierungen und Informationen und/oder Fortbildungen zur Erkennung der ASS (in unterschiedlichem Vertiefungsgrad und aus unterschiedlichen Gesichtspunkten) bei schulischer Heilpädagogik, schulpsychologischen Diensten, Schulpsychologie, Erziehungsberatung, Kitas, Spielgruppenleitenden sowie Mütter-Väter-Beratungen |
Kantone / Gemeinde / Berufsverbände |
2 |
4.3. Sicherstellung eines leichten Zuganges an Informationen betreffend Symptomen, Diagnostikstellung, usw. für Fachleute und Eltern / Betroffene |
Kantone/Gemein- den |
2 |
Gesetzliche Grundlagen
Die Umsetzung dieser Empfehlungen erfordert weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene eine gesetzliche Anpassung.
Kosten
Die Sicherstellung der Diagnostik (insbesondere die Aufstockung des Personals für die Diagnostikzentren) geht mit höheren Betriebskosten (Lohnkosten) einher.
Die Kosten für die Diagnosen werden wie schon jetzt von der IV oder von den Krankenkassen übernommen. Eine verbesserte und raschere Diagnose bedeutet grundsätzlich keine Mengenausweitung. Es wäre allerdings damit zu rechnen, dass die finanziellen Verpflichtungen gleichzeitig mit der Ausweitung der Diagnosemöglichkeiten leicht ansteigen und sich dann langfristig auf dem heutigen Niveau stabilisieren wer- den. Insofern würden gewisse Kosten rascher anfallen, ohne dass Mehrkosten zu verzeichnen wären.
Das Screening kann im Rahmen der üblichen pädiatrischen Untersuchungen übernommen werden. Da im Rahmen der TARMED für diese pädiatrischen Kontrollen fixe Zeiten und Taxpunkte festgelegt sind, sind für die Krankenkassen keine Mehrkosten zu erwarten.
Die Kosten für die Aus-/Weiterbildung sind grundsätzlich von den Fachpersonen selber zu tragen. Bei den Fachleuten, die bei einer öffentlichen Stelle (z.B. KJPD) angestellt sind, fallen die Ausbildungskosten schon heute als Teil der Personalkosten an.
Für die Informations- und Sensibilisierungsarbeit sind finanzielle Investitionen nötig. Diese sind aber begrenzt. Als Beispiel kann ein Programm im Tessin erwähnt werden: im Jahr 2016 wurde dort ein Handbuch für das Frühscreening von ASS bei 0- bis 3- jährigen Kindern entwickelt. Dieses richtet sich an Eltern, Kitas, Spielgruppen sowie an andere Personen, die Kleinkinder betreuen. 2016 wurde das Handbuch im Kanton Tessin gratis an sämtliche Kinderarztpraxen zur Information an alle Familien, sowie an Fachpersonen und Freiwillige verteilt, die sich um Kleinkinder kümmern. An kostenlosen Informations-/Schulungsabenden wurde zudem erklärt, wie das Handbuch funktioniert. Das ganze Projekt hatte ein Budget von ca. CHF50‘000.-. Rechnet man diese Zahlen für die Schweiz hoch, resultieren daraus Mehrkosten für ca. 1 Millionen Schweizer Franken. Die anderen Verbesserungen (betreffend der Qualität der Diagnose) verursachen keine Kosten.
Gewissen Autorinnen und Autoren zufolge, kann eine frühzeitige Diagnose die ASS- bedingten Kosten reduzieren, da auf die Diagnose eine Frühintervention folgt, wodurch bessere Ergebnisse und eine Verbesserung des Sozialverhaltens erzielt werden. Zudem bedarf es weniger an Sonderschulung und Unterstützungsangeboten.
Im Tessin, zum Beispiel, wo das Screening seit einigen Jahren institutionalisiert ist, erfolgt dieses im Rahmen der 2–Jahres-Kontrolle und hat keine Zusatzkosten generiert.
Beratung und Koordination
Beurteilung der Situation
Angefangen mit der Suche nach adäquaten Möglichkeiten früher Förderung, über die Suche nach dem passenden Kindergarten und einer geeigneten Schule, über den Umgang mit herausforderndem Verhalten bis hin zur Suche nach adäquaten Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnangeboten, sind Eltern und Betroffene in der Regel auf professionelle Beratung angewiesen. Aktuell werden Beratungen punktuell von unter- schiedlichen Akteuren angeboten. Nicht alle verfügen aber über das notwendige Wissen zu ASS oder über entsprechende Kenntnisse vorhandener Förder- und Unterstützungsangebote. Problematisch ist auch, dass die Beratung nur in seltenen Fällen von einer zentralen Stelle erfolgt, sondern immer wieder wechselnde Akteure sich der Unterstützung annehmen, insbesondere bei den Übergängen (Schuleintritt, Übergang Schule-Beruf, Übergang ins Erwachsenenleben). Es handelt sich demnach exakt um jene Situationen, die für ASS-Betroffene besonders schwierig sind und in denen der Unterstützungsbedarf am grössten ist.
Neben der Beratung ist oft auch eine Koordination notwendig. Diese ist vor allem bei Übertritten sehr wichtig (z.B. vom Kindergarten in die Primarschule oder von der Unterstufe in die Oberstufe) und soll begleitet und koordiniert werden. Besondere Aufmerksamkeit ist auf den Übertritt von der Schule in die Berufsbildung zu lenken. Auch für die Suche nach einer Wohnmöglichkeit, nach geeigneten Freizeitaktivitäten usw. ist eine Unterstützung und Begleitung zentral.
Weiter soll die Koordination zwischen unterschiedlichen Fördermassnahmen gewährleistet werden. Damit soll verhindert werden, dass ein Wechsel der gewohnten Abläufe aus Sicht der betroffenen Personen mangels entsprechender Vorbereitung und Begleitung zu einem Bruch führt, der eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation oder den Verlust einer Arbeitsstelle zur Folge hat.
In gewissen Kantonen bestehen bereits heute entsprechende Angebote. Gewisse Fachstellen, die primär diagnostisch, therapeutisch oder beratend tätig sind, übernehmen im Einzelfall auch über längere Zeit eine koordinierende Funktion. Vielfach liegt für diese Aufgabe jedoch kein expliziter Auftrag vor. Diese Angebote sind zudem meistens alters- und/oder institutionsspezifisch und weder zentralisiert noch vernetzt. Was insbesondere fehlt, ist eine kontinuierliche Begleitung über die gesamte Lebensspanne hinweg, die proaktiv und vernetzt ist und eine breite, ganzheitliche Sichtweise aufweist. Zentral ist diese Begleitung auch im Erwachsenenalter, damit zum Beispiel bei Wechseln am Arbeitsplatz (z.B. Reorganisation oder neuer Vorgesetzter) Stellenverluste vermieden werden können.
Ziel und Massnahmen
Das Thema Beratung und Koordination zieht sich wie ein roter Faden durch alle analysierten Bereiche. An dieser Stelle ist anzumerken, dass nicht nur bei den ASS das Thema der Koordination eine herausragende Bedeutung hat: Bei der Gesamtschau «Gesundheit2020» geht es unter anderem auch um die Verbesserung der koordinierten Versorgung. Beratungs- und Koordinationsleistungen sind ein wichtiger Teil der gesundheitlichen Grundversorgung, deren Bedarf unbestritten ist.
Konkret wird das Ziel wie folgt formuliert:
Es geht darum, dass Betroffene und/oder Angehörige Information und Beratung gemäss ihrem jeweiligen Bedarf erhalten und dass die kontinuierliche Koordination zwischen verschiedenen Fördermassnahmen und Akteuren funktioniert. Auch wenn der Bundesrat bewusst keine konkreten Strukturen oder Organisationsformen vorschreiben möchte, ist er überzeugt, dass dieses Ziel idealerweise mit dem Aufbau von kantonalen oder regionalen Kompetenzzentren erreicht werden kann. Denkbar ist der Aufbau einer kantonalen Dienststelle oder der Abschluss einer Leistungsvereinbarung mit einer dafür geeigneten Organisation.
Im Sinne eines Exkurses werden nachfolgend zwei positive Beispiele aus den Kantonen Jura und Tessin beschrieben:
Kanton Jura:
Im Kanton Jura besteht seit 2013 eine Struktur, die als Kompetenzzentrum funktioniert. Diese wird von drei Stellen finanziert (zu 25 % durch die kantonale Erziehungsdirektion, zu 50 % durch die kantonale Gesundheitsdirektion und zu 25 % durch das kantonale Amt für Schulpsychologie und Berufsbildung). Die Finanzierung erfolgt unabhängig von den tatsächlich für die institutionellen Partner erbrachten Leistungen. Das Zentrum bietet Begleitung für die betroffenen Personen, aber auch für die institutionellen Partner sowie das gesamte Netz von betreuenden Personen an. Mit einer solchen Struktur können die Probleme bei den Übertritten, bei denen oft nicht klar ist, wer zuständig ist und wer die Leistungen finanziert, umgangen werden.
Das Zentrum nimmt zwei Haupttätigkeiten wahr:
- Individuelle Begleitung im schulischen und/oder familiären Rahmen:Die Begleitung im familiären Rahmen kann in der Struktur oder Zuhause bei der Familie erfolgen.
- Ausbau und Koordination des Netzwerks
Den Übergängen und der Vorbereitung wird grosse Bedeutung beigemessen. Änderungen werden zuerst geplant, bevor entsprechende Lösungen umgesetzt werden. Ausserdem bietet diese Stelle Ausbildungen für Fachpersonen an.
Kanton Tessin:
Im Kanton Tessin nimmt die Stiftung ARES (Autismo Ricerca e Sviluppo) die Rolle eines Kompetenzzentrums ein. Die Leistungen von ARES werden über Artikel 74 IVG sowie über einen Leistungsvertrag mit dem kantonalen Behindertenamt (für Erwachsene) und dem kantonalen Amt für Sonderpädagogik (für Minderjährige) finanziert. ARES bietet Beratungen für Personen mit einer ASS und deren Angehörige, aber auch für Fachpersonen. Sie ist in individuelle Projekte integriert, in denen sie nebst der direkten Unterstützung von betroffenen Personen auch eine koordinierende und richtungsweisende Rolle für andere Akteure wahrnimmt.
Überdies nimmt ARES eine Informationsfunktion wahr. Die Stiftung leitet ein Dokumentationszentrum, veröffentlicht Publikationen zum Thema ASS und organisiert themenspezifische Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen. Nebst der Beratungstätigkeit beschäftigt ARES Pädagoginnen und Pädagogen sowie andere Fachpersonen, die direkt mit der von einer ASS betroffenen Person zusammenarbeiten. ARES bietet zudem pädagogisch gestützte Einzeltherapien mit Kindern (ein bis zwei Stunden pro Woche) an. Wenn die Kinder in den Kindergarten kommen, kann ARES das Integrationsprojekt überwachen und die beteiligten Fachpersonen beraten. Erwachsene können sich von ARES über mehrere Monate bei der Stellensuche begleiten lassen und ein Job-Coaching in Anspruch nehmen, sobald sie eine Arbeit gefunden haben.
ARES nimmt ausserdem an einem runden Tisch zum Thema Autismus teil. Dort werden gemeinsam Überlegungen zu verschiedenen Aspekten angestellt: Diagnose und Frühintervention, Ausbildung der Fachpersonen, spezifische Sensibilisierungsprojekte oder Überlegungen zur institutionellen Realität vor Ort. Ziel ist, die Bedingungen für Menschen mit einer ASS und deren Familie im ganzen Kanton zu verbessern.
Der Bundesrat möchte betonen, dass durch den Aufbau von Kompetenzzentren grosse Verbesserungen auch in anderen Handlungsfeldern erreicht werden können, da eine solche Referenzstelle einen Teil der Sensibilisierungsarbeit übernehmen, die Übergänge besser begleiten sowie Fachpersonen unterstützen kann.
Hierzu ist der Lösungsansatz Grossbritanniens im Bereich Beratung und Koordination interessant:
Jede Grafschaft verfügt über ein «Team Autismus», das autistische Kinder und Jugendliche bis zum 25. Lebensjahr sowie deren Eltern begleitet, danach erfolgt der Transfer zum Erwachsenenteam. Das Team vereint Fachleute aus den Bereichen Pädagogik, Früherziehung, Soziales und Gesundheit und bringt sie regelmässig an einem Tisch zusammen. Das Team ist zuständig für die Koordination der Betreuung und Beschulung des Kindes und gleichzeitig für die Begleitung der Familie. Obwohl es sich um einen teambasierten Ansatz handelt, hat die Familie in der Fallkoordinatorin oder im Fallkoordinator eine direkte Ansprechperson. Fallspezifisch wird entschieden, wer für welche Situation zuständig ist und welche Massnahmen angezeigt sind. Die Fallkoordinatorin oder der Fallkoordinator kann zum Beispiel direkt mit den Betroffenen arbeiten oder diese Arbeit wird an jemand anderen delegiert. Auch in Krisensituationen kann es sein, dass die Fallkoordinatorin bzw. der Fallkoordinator direkt interveniert, es kann aber auch sein, dass dies über eine Familienbegleitung läuft. Zentrales Element dieser Betreuungsart ist, dass sie die betroffene Person ins Zentrum stellt und nicht von oder um eine Institution herum organisiert ist. Für Menschen mit ASS sind Übergänge (z. B. Übertritt in eine neue Klasse) oder anderweitige Wechsel (Lehrperson, Vorgesetzte/r) grosse Herausforderungen. Ein personenorientierter Ansatz stellt sicher, dass das Betreuungsteam auch bei solchen Wechseln bestehen bleibt, während bei einem institutions-orientierten Ansatz mit dem Übergang in der heikelsten Phase gleichzeitig auch das Koordinationsteam der Institution wegfällt.
Ein ganz wichtiger Punkt ist auch Sensibilisierung / Informationsarbeit für Schulen, Arbeitgeber, beim Sportverein usw. Werden neue Schritte oder aussergewöhnliche Aktivitäten geplant (z. B. Schulbesuch eines Rugby-Teams) übernimmt das Autismus-Team die Betreuung, begleitet das Kind und unterstützt zum Beispiel den Trainer.
Die Teams sind in der Regel zentralisiert. Damit auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Randregionen davon profitieren können, findet die Arbeit aber oft auch aufsuchend statt, und das Autismus- Team trifft sich beispielsweise in der Schule oder auch bei der Familie zu Hause. Oft greift das Autismus- Team dann auf lokalere Einheiten zurück, d. h. das Team selbst hat seinen Sitz am Hauptort und delegiert an die lokale Gesundheitsbehörde (National Health Services) oder auch an eine lokale Schule.
Die verbesserte Koordination vermeidet nicht nur Doppelspurigkeiten oder Lücken, sie schafft auch Synergien.
Massnahme |
Zuständig |
Priorität |
Beratung und Koordination |
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5. Aufbau eines Kompetenzzentrums |
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5.1. Professionelle Beratung für Eltern und Betroffene: Informationen rund um das Thema ASS anbieten, Auskünfte und Beratung über Therapiemetho- den, Behandlungsangebote, Unterstützungsmassnahmen usw.). |
Kantone |
1 |
5.2. Kontinuierliche (nicht an Institutionen gebundene) Begleitung und Koordina- tion im Sinne eines Case Managements über die gesamte Lebensspanne hinweg und für die unterschiedlichsten Lebensbereiche (Therapie, Freizeit, Wohnen usw.). |
Kantone |
1 |
5.3. Vernetzung der unterschiedlichen Akteure und Koordination des ganzen Systems, Erarbeitung einer gemeinsamen Autismus-Vision (fallunabhängig). |
Kantone |
1 |
5.4. Autismusspezifische Beratung von Fachpersonen |
Kantone |
2 |
Kosten
Der Aufbau einer solchen Stelle ist mit Kosten verbunden, unabhängig davon welche Variante gewählt wird. Es ist aber zu bemerken, dass ein Teil der Beratung und Koordination schon jetzt von unterschiedlichen Stellen und Fachleuten wahrgenommen wird, dies aber nur punktuell und zersplittert erfolgt. Durch die Zentralisierung dieser Aufgabe können Synergien geschaffen und damit langfristig auch Einsparungen erreicht werden. Eine bessere Koordination kann weiter die Auswirkung von Fördermassnahmen unterstützen und verbessern.
Werden die Kosten der zwei oben erwähnten Zentren hochgerechnet, sind kurzfristige Mehrkosten für die Kantone von maximal 20-25 Millionen Schweizer Franken pro Jahr zu erwarten.
Frühintervention
Beurteilung der Situation
In diesem Bereich muss zwischen «klassischen» Unterstützungsmassnahmen im Vorschulalter (hauptsächlich heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Ergotherapie) und Programmen zur intensiven Frühintervention unterschieden werden, wie sie in den letzten Jahren entstanden sind. Im Rahmen eines Projektes (2014–2018) finanziert die IV intensive Frühinterventionen in den sechs ausgewählten Therapiezentren mit einer Pauschale von CHF 45‘000.- pro Fall. Bei dieser Pauschalfinanzierung handelt es sich primär um eine administrative Vereinfachung der Abrechnung. Auch einige Kantone unterstützen das Projekt, indem sie einen Teil der Therapiestunden entschädigen. Trotzdem sieht die Situation in jedem Zentrum und in jedem Kanton anders aus. Die fehlende Klarheit rund um die finanzielle Beteiligung der Kantone und Gemeinden stellt die Therapiezentren vor grosse Herausforderungen.
Es handelt sich um folgenden Zentren:
- Dispositif d’intervention précoce en autisme, Genève
- Fondation Pôle Autisme, Genève
- FIAS-Therapiezentrum, Muttenz
- Autismuszentrum der GSR, Aesch
- Unità di intervento precoce nei bambini con disturbi dello spettro autistico (Istituto OTAF), Sorengo
- Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst des Kantons Zürich, Autismusstelle, 8032 Zürich
Die Ziele des Projektes waren vielfältig:
- Nachweis der Wirksamkeit der Intensivbehandlungsmethoden der Autismuszentren in Bezug auf die schulische und berufliche Integration der betroffenen Kinder
- Aufzeigen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit der Intensivbehandlungen bei frühkindlichem Autismus
- Prüfen einer definitiven Finanzierung durch die verschiedenen involvierten Akteure nach der Projektphase, d.h. ab 1. Januar 2019.
Im Rahmen dieses Projekts haben sich die Zentren verpflichtet, die Wirksamkeit ihrer Methoden selber zu analysieren. Eine erste Auswertung ergab, dass es schwierig ist, die verschiedenen Methoden und Ergebnisse zu vergleichen. Das BSV hat deshalb entschieden, eine externe Forschungsgruppe, die nicht gleichzeitig Leistungserbringer ist, mit der Evaluation zu beauftragen. Die Forschungsgruppe soll glaubwürdige Aussagen darüber machen, ob die intensiven Frühinterventionen gegenüber den bisherigen Behandlungsmethoden bei frühkindlichen Autismus-Spektrum-Störungen wirksamer sind und ob die wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit bezüglich der sozialen und beruflichen Integration der betroffenen Kinder nachgewiesen werden kann. Ausserdem sollten zuverlässige Informationen betreffend Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten dieser Interventionen erhoben werden.Die Untersuchungsergebnisse werden gleichzeitig mit diesem Bericht veröffentlicht. Die wichtigste Erkenntnis der Untersuchung ist, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der Methoden zur intensiven Frühintervention bestätigen und darüber ein Konsens besteht. Im Moment werden mit keiner anderen Behandlung bei frühkindlichem Autismus bessere Ergebnisse erzielt. Eine umfassende verhaltenstherapeutische und/oder entwicklungsorientierte Intervention, scheint besonders wirksam. Ab dem zweiten Altersjahr empfehlen die Forschenden für alle Kinder mit frühkindlichen Autismus-Spektrum-Störungen eine intensive Frühintervention, wobei umfassenden («comprehensive») verhaltenstherapeutischen und entwicklungsorientierten Programmen der Vorzug zu geben ist. Gemäss Forschungsteam erfüllen die sechs Pilotprojektzentren diese Voraussetzungen, indem sie einen umfassenden Behandlungsansatz verfolgen und die Kernprobleme bei Autismus-Spektrum-Störungen angehen. Die Intensität der Behandlung ist ebenfalls gegeben, da die Kinder während zwei Jahren zwischen 18 und 25 Stunden pro Woche betreut werden. Zudem beziehen alle Programme sowohl die Eltern als auch das unmittelbare Umfeld mit ein. Während die Zentren Sorengo und Zürich hauptsächlich verhaltenstherapeutisch arbeiten, setzen Riehen/Aesch und Muttenz auf die Entwicklungsebene. Die beiden Genfer Zentren arbeiten mit einem Methodenmix nach dem «Early Start Denver Model».
Laut Forschungsteam gibt es indes noch zahlreiche offene Forschungsfragen, wobei drei Punkte im Vordergrund stehen:
- die Definition eines klaren Outcome-Modells: Aktuell fehlen operationelle Messinstrumente, die spezifisch auf Kleinkinder mit ASS zielen. Ohne eine aussagekräftige Wirkungsanalyse ist es nicht möglich, sich zu den langfristigen Auswirkungen der intensiven Frühintervention in der Schweiz zu äussern. Die Forschenden empfehlen deshalb, ein klares Wirkungsmodell zu definieren, wie dies auf internationaler Ebene der Fall ist. Darin ist festzuhalten, welche Aspekte mit der Intervention verbessert werden sollen, wie diese genau zu messen sind und zu welchem Zeitpunkt. Zudem ist die Wirkung der Intervention auf das künftige Leben des Kindes und die Lebensqualität seiner Familie zu definieren. Damit soll langfristig gemessen werden können, ob die beträchtlichen Kosten der Behandlungsmethode sich wie erwartet durch spätere Einsparungen rechtfertigen lassen.
- die Festlegung eines einheitlichen Programm-Modells: Gemäss Forschenden braucht es schweizweit einen garantierten Zugang zu diesen Therapien. Die regionalen Disparitäten müssen verschwinden. Das bedingt die Schaffung neuer Zentren, die solche Programme anbieten. Daher ist es wichtig zu bestimmen, wie das Programm, das unterstützt werden kann, konkret aussehen soll. Folgende acht Punkte sind dabei in jedem Fall klar zu regeln.
- Art der zulässigen Programme
- Dauer und Intensität der Programme
- Rolle der Eltern
- Voraussetzungen für die Teilnahme am Programm
- ganzheitlicher Programmansatz
- interdisziplinäre Ausführung
- Projekt- und Datenmanagement
- Ausbildung
- Gesamtregelung für die Kostenübernahme und die Koordination
Bei der Bestimmung des Programm-Modells wird auch das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen sein.
- die Erarbeitung eines Kostenmodells: Die intensive Frühintervention ist eine interdisziplinäre Behandlungsmethode. Die Finanzierung dieser Behandlungsmethode lässt sich somit nicht einem einzigen Kostenträger zuteilen ,sondern fällt gemäss NFA sowohl in die Kompetenz der Kantone (für die pädagogisch-therapeutischen Elemente) wie auch diejenige der Invalidenversicherung (für die medizinischen Elemente). Die Forschenden teilen diese Ansicht und begründen deshalb die Notwendigkeit eines sektorenübergreifenden Kostenmodells auch damit, dass der NFA «das Schwarzer Peter-Spiel» der Kostenträgerschaft zwischen Bund und Kantonen begünstige. Nur ein sektorenübergreifendes Modell erlaubt es, eine Gesamtübersicht zu wahren, ohne dass weder die Sichtweise der Betreuung noch jene des Budgets im Vordergrund steht. Im Hinblick auf eine langfristige Finanzierungslösung ist der Bundesrat deshalb der Ansicht, dass eine gemischte Finanzierungsregelung angestrebt werden soll. Eine alleinige Finanzierung der intensiven Frühintervention durch die IV wäre nicht gesetzeskonform.
Auch die Notwendigkeit der Behandlung von sogenannten «Risikokindern» (Kinder unter zwei Jahren, die noch keine klar bestätigte Autismusdiagnose haben, aber bei denen der Verdacht besteht, an einer ASS erkrankt zu sein oder Kinder, die ein höheres familiäres Risikopotenzial aufweisen, wird hervorgehoben.
Daneben werden weiterhin Kinder im Rahmen der «klassischen» Früherziehung behandelt. Die standardmässig zugesprochenen Stunden pro Woche für Früherziehung, Logopädie und Ergotherapie reichen aber für ein Kind mit einer ASS oft nicht aus.
Ziel und Massnahmen
Die Experten für Kinder- und Jugendpsychiatrie gehen inzwischen davon aus, dass die Integration von Menschen mit ASS am ehesten mit einer Intervention im Vorschulalter sichergestellt werden kann. Verschiedene internationale Studien haben gezeigt, dass eine angemessene Intensität gewährleistet sein muss, damit die Kinder ihre intellektuellen Fähigkeiten, die Lernfähigkeit sowie die Sprache entwickeln können und sich die charakteristischen Anzeichen von Autismus verringern. Eine intensive Frühintervention bei Kleinkindern kann späteren Begleitsymptomen wie destruktivem Verhalten, Selbstverletzung oder übermässigen Angstzuständen vorbeugen. Aufgrund der höheren Gehirnplastizität von Kleinkindern sind Massnahmen in diesem Alter effizienter. Je autismusspezifischer diese Massnahmen sind, desto grösser ist deren Effekt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage des Zugangs zur Frühintervention bei «Risikokindern». Insofern die ASS-Diagnose noch nicht definitiv gestellt ist, handelt es sich um eine Präventionsmassnahme, die mangels gesetzlicher Grundlage im IVG den Kantonen zufällt. Diese Kinder sollten Anspruch auf eine autismusspezifische Frühtherapie mit qualifiziertem Personal haben. In der Literatur ist das ESDM-Modell das einzige Modell, das die gewünschte Wirkung erzielt. Kinder könnten schon ab neun Monaten behandelt werden.
Das Ziel in diesem Bereich kann so formuliert werden:
Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen auf Bundes- und auf kantonaler Ebene sind nicht auf die Finanzierung der intensiven Frühintervention ausgerichtet, denn diese Therapien zeichnen sich insbesondere durch einen breiten Methodenmix aus. Nach Ansicht der Forschenden trägt ein interdisziplinärer Ansatz sehr stark zum Erfolg der Intervention bei, da verschiedene Fachrichtungen jeweils unterschiedliche, sich jedoch ergänzende Sichtweisen in ein Behandlungsteam einbringen. Die Behandlungen werden einerseits von Psychiatern und Ergotherapeuten und andererseits von Logopäden, Heilpädagogen, Sonderpädagogen und Psychologen durchgeführt, die Elemente aus ihrem eigenen Fachbereich mit Methoden der Frühintervention kombinieren. Währendem die Leistungen für die erste Gruppe von Fachpersonen von der IV finanziert werden, fallen die Fachpersonen der zweiten Gruppe entweder unter kantonale Zuständigkeiten oder sind nicht anerkannt, weshalb deren Finanzierung oft zu negativen Kompetenzkonflikten führt und die Therapiezentren vor grosse administrative Herausforderungen stellt.
Insofern die Wirksamkeit der intensiven Frühintervention in der Evaluation nachgewiesen wurde, empfehlen die Forschenden den Ausbau der entsprechenden Angebote. Dazu sind die wichtigen Arbeiten, die in den Zentren bereits umgesetzt wurden weiterzuführen und es sind Lösungen für die noch offenen Forschungsfragen zu finden. Vor allem ist es wichtig, – in Absprache mit den Kantonen – eine umfassende Finanzierungslösung auszuarbeiten. Der Bundesrat hat das EDI beauftragt zu evaluieren, wie ein Kostenmodell für die intensive Frühintervention realisiert werden kann. Das BSV wird dieses Mandat im Rahmen eines Pilotversuchs nach Artikel 68 IVG, welcher das noch bis im Juni 2018 laufende Projekt fortsetzen wird, umsetzen. Dieser Pilotversuch wird anders strukturiert sein, so dass den Schlussfolgerungen des Forschungsberichts bestmöglich Rechnung getragen werden kann. Die Kriterien zur Teilnahme eines Zentrums am Pilotversuch, die Finanzierung durch die IV und andere wichtige Punkte werden in einer Verordnung verankert. Damit soll das Angebot aufrechterhalten und der Aufbau von neuen Zentren ermöglicht werden. Es handelt sich dabei lediglich um eine Übergangslösung. Die Laufzeit des Pilotversuchs soll unter anderem dazu genutzt werden, ein langfristig gesichertes Kostenmodell auf die Beine zu stellen. Das BSV wird den Bundesrat bis im Juni 2022 über die Resultate dieses Pilotversuchs und die Möglichkeiten für eine Kostenaufteilung zwischen dem Bund und den Kantonen informieren.
Da die Forschenden einen interdisziplinären Ansatz empfehlen, muss die Frage der gemischten Finanzierung (beziehungsweise einer gemeinsamen Verantwortung) zwischen Kantonen und IV geklärt und eine Lösung gefunden werden. Nur eine gemeinsame Finanzierungslösung vermag die Wirksamkeit der Frühinterventionsprogramme und deren langfristige Nachhaltigkeit sicherzustellen. Die IV ist bereit, einen Teil der Kosten für die intensive Frühintervention zu übernehmen, verlangt aber, dass die Kabtone ebenfalls ihren Beitrag leisten.
Schon in der Botschaft zur NFA hielt der Bundesrat fest, dass verschiedene Aufgaben gemeinsam von beiden staatlichen Ebenen erbracht werden müssen, das heisst von Bund und Kantonen. Dazu braucht es aber neue Formen der Zusammenarbeit und eine gemeinsame Finanzierung. Die Empfehlung der Forschenden, ein für alle Akteure geltendes intersektorielles Kostenmodell zu entwickeln, geht in diese Richtung.
Die intensive Frühintervention ist nicht für alle Familien geeignet. Deswegen müssten weiterhin auch die anderen Frühförderungsangebote, insbesondere im Bereich der heilpädagogischen Früherziehung, optimiert werden. Die wichtigsten Verbesserungen betreffen die Intensität (Anzahl Stunden) und die Autismus-Spezifität der Angebote (angemessene Methoden, Fachwissen und Erfahrung des Personals im Bereich Autismus).
Gesetzliche Grundlagen
Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen sind nicht auf die Finanzierung der intensiven Frühintervention ausgerichtet. Sie belassen die Finanzierung gar in einer Grauzone und lassen keine ganzheitliche Finanzierung zu. Ob sich eine Klärung oder Anpassung der gesetzlichen Grundlagen als notwendig erweist, werden erst die nun beginnenden Diskussionen und Abklärungen zeigen. Wichtig ist für den Bundesrat, dass die geltende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bestehen bleibt. Weiter muss die Anwendbarkeit der IVSE (Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen) auf die intensive Frühintervention gewährleistet werden.
Kosten
In zwei der am Pilotversuch beteiligten Zentren schätzen die Forschenden die Kosten auf 100 000.00 bis 150 000.00 Schweizer Franken. Vorausgesetzt, dass pro Jahr rund 100 Kinder mit frühkindlichem Autismus in der Schweiz ein solches Programm besuchen könnten, würden sich die Zusatzkosten auf 20 bis 30 Millionen Schweizer Franken bewegen. Auf der anderen Seite werden aber die Kosten für andere therapeutische Massnahmen (Ergotherapie, Logopädie, Frühförderung) eine Reduktion erfahren, da diese wegen der intensiven Frühintervention zurückgestellt werden können. Zudem kann es auch zu Einsparungen bei der Hilflosenentschädigung und dem Intensivpflegezuschlag kommen (kleinere HE- bzw. IPZ-Grade oder sogar keine Ausrichtung mehr infolge starker Verbesserung der Autonomie). Spezialisten stellen fest, dass sich die Frühintervention tatsächlich auf die Hilflosenentschädigung auswirkt, weisen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass es für eine endgültige Schlussfolgerung noch zu früh ist. Es sind weiter auch tiefere Ausgaben bei der Beschulung zu erwarten (Regelschule statt Sonderschule, bzw. weniger intensive Betreuung bei den Sonderschulen) und langfristig bei beruflichen Ausbildungen, beim Wohnen und allenfalls bei den Renten und der Sozialhilfe. Die Betreuung eines Erwachsenen mit
Gemäss Spezialisten leiden in der Schweiz 120 bis 190 Kinder pro Jahr an frühkindlichem Autismus; gestützt auf Zahlen vom ZAS-Register schätzt man, dass 118 Kinder pro Jahr eine ASS-Diagnose vor Vollenden des 4. Altersjahres bekommen. Man kann davon ausgehen, dass nicht alle Kinder an einer intensiven Frühintervention teilnehmen können oder wollen. Die Obergrenze dürfte somit eher bei 100 Kindern pro Jahr liegen.
Massnahme |
Zuständig |
Priorität |
Frühintervention |
||
6. Langfristige Sicherung und Ausbau von intensiven Frühinterventionen |
||
6.1. Klärung der Finanzierung (im Rahmen des Pilotversuch) |
IV / Kantone |
1 |
6.2. Programm- und Outcome-Model definieren |
IV / Kantone / Zentren |
1 |
7. Frühintervention auf Spezifität der ASS besser ausrichten |
||
7.1. Aufstockung der Anzahl Stunden der verschiedenen Frühförderungsleistungen |
Berufsverbände/ Kantone |
2 |
8. Einbezug der Eltern |
||
8.1. Die Auswahl der Frühinterventionsmethode muss mit den Eltern abgestimmt sein |
Fachleute |
2 |
8.2. Die Eltern müssen die Ziele der Therapie kennen und diese aktiv unterstützen |
Fachleute |
2 |
9. Frühintervention für «Risikokinder» |
||
9.1. Angebote für «Risikokinder» entwickeln (ESDM) |
Kantone |
2 |
ASS kostet aktuell durchschnittlich rund CHF 25’000.- monatlich. Bei einer Betreuung während 50 Jahren belaufen sich somit die Kosten in einem Einzelfall auf rund 15 Mio. Schweizer Franken. Diese Zahlen zeigen, wie gross das Einsparpotenzial ist, wenn nur einige Teilnehmer einer intensiven Frühintervention komplett selbständig leben können.
Bei der klassischen Frühförderung ist eine Aufstockung der Anzahl Stunden ebenfalls mit Mehrkosten verbunden. Die Mehrkosten für die IV (Ergotherapie, Psychotherapie und Physiotherapie) werden je nach Ausmass der Intensivierung auf 1 bis 4 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Es ist hingegen nicht möglich, eine Schätzung der Mehrkosten für die Kantone zu machen, da sich die Situation je nach Kanton stark unterscheidet. Einige Kantone sprechen schon jetzt mehrere Stunden pro Woche zu, währendem andere Kantone restriktivere Ansätze wählen. Auch hier kann aber eine erhöhte Intensität zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und somit zu Ersparnissen in anderen Bereichen führen.
Eine Frühintervention für «Risikokinder» verursacht auch für die Kantone Kosten, die sich nur schwer quantifizieren lassen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Kinder bereits heute finanzielle Unterstützung erhalten und die Frühintervention in der Folge den Bedarf an Unterstützungsmassnahmen reduzieren wird. Man kann somit von Kostenneutralität ausgehen.
Weitere Handlungsbereiche
Integration im engeren Sinn
Wie bereits erwähnt, ist das Ziel der Behindertenpolitik des Bundes eine Gleichstellung aller Behinderten und die Förderung ihrer Teilnahme an der Gesellschaft. Dies wird durch eine verbesserte Integration in die Schule und in die Arbeitswelt erreicht sowie durch optimierte Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben.
Beurteilung der Situation
Schule
Die Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen in die Regelschule ist Aufgabe der Kantone. Seit einigen Jahren wird innerhalb der Regelstrukturen vermehrt auf die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geachtet – insbesondere auf Stufe der obligatorischen Schule. Allerdings wurden in den Kantonen bisher vor allem Grundlagen und Konzepte geschaffen; diese gilt es nun in die Praxis umzusetzen. Auch der UNO-Kinderrechtsausschuss kommt zur Erkenntnis, dass Kinder nicht in allen Kantonen angemessen in die Regelschule integriert werden und zu wenig personelle und finanzielle Ressourcen für ein gut funktionierendes integrierendes Bildungssystem zur Verfügung gestellt werden.
Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarktintegration
Im Bereich der beruflichen Integration bestehen schon jetzt viele Massnahmen, sowohl bei der IV als auch auf kantonaler Ebene. Dabei ist allerdings zu beachten, dass weder die IV-Massnahmen noch die kantonalen Angebote spezifisch auf Jugendliche mit ASS ausgerichtet sind.
Der OECD-Länderbericht Schweiz «Mental Health and Work» kommt zum Schluss, dass sich der Übergang zwischen Schule und Berufsausbildung für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer psychischen Beeinträchtigung oft als problematisch erweist. Das Gleiche gilt für den Übergang von der Ausbildung in die Arbeitswelt sowie für die nachhaltige Erhaltung eines Arbeitsplatzes. Diese Schwierigkeiten werden auch im Autismusbereich aufgezeigt. Spezialisten analysierten das bestehende Angebot für gesundheitlich beeinträchtigte Jugendliche und junge Erwachsene in der Übergangsphase und heben hervor, dass eine Früherfassung dieser Zielgruppe und eine Koordination zwischen den Akteuren (hauptsächlich Schule, IV-Stelle, Case Management Berufsbildung) besonders wichtig ist. Diese Aufgabe könnte dem CM BB (sofern die nötigen Ressourcen und Kompetenzen vorhanden sind) oder einem Kompetenzzentrum übertragen werden.
Wohnen
Der Bereich institutionelles Wohnen befindet sich im Wandel. Zusätzlich zu den kollektiven Wohnformen in Institutionen werden immer mehr Wohnformen realisiert, die ein individuelleres und möglichst selbstständiges Wohnen ermöglichen. Die Förderung des selbstständigen Wohnens ausserhalb eines Heims geht grundsätzlich mit einer finanziellen Einsparung einher, ist jedoch mit neuen Herausforderungen betreffend Finanzierungszuständigkeiten und -modalitäten verbunden.
Trotz dieses vielseitigen Angebots besteht für die Personengruppe der – insbesondere jungen – Erwachsenen mit einer leichteren Ausprägung der Störung insgesamt ein deutlicher Mangel an geeigneten Konzepten, die dem individuellen Unterstützungsbedarf beim Übergang von der Familie in das selbstständige oder begleitete Wohnen sowie in der Alltagsgestaltung angemessen gerecht werden. Zudem ist die Verantwortung für die Finanzierung bei diesen neuen Wohnformen häufig unklar.
Massnahmen
Dank einer gezielten Förderung und geeigneter Massnahmen könnte ein grosser Teil der Menschen mit ASS in der Gesellschaft nicht nur integriert werden, sondern für diese einen wertvollen Beitrag leisten.
Schule
Gemäss Behindertengleichstellungsgesetz fördern die Kantone die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in die Regelschule. Im Einklang damit sowie der UNO-Behindertenrechtskonvention ist die Integration der Kinder (mit ASS) in der Regelschule prioritär. Deswegen distanziert sich der vorliegende Bericht von der Empfehlung, regionale und kantonale Schulkonzepte einer kritischen Überprü- fung der Anwendung von Good-Practice-Kriterien zu unterziehen. Der Fokus in den Kantonen soll vielmehr auf konkretere Massnahmen gelegt werden, welche die Integration tatkräftig unterstützen, wie zum Beispiel eine angemessene Unterstützung der Kinder in der Schule, das Tragen der Integrationsprojekte seitens aller Beteiligter usw. Dazu können Good-Practice-Leitlinien behilflich sein, man sollte sich aber nicht auf Konzepte und Leitlinien begrenzen. Die von der CIIP in Zusammenarbeit mit der SZH erarbeiteten Informationen für Lehr- kräfte über Autismus-Spektrums-Störungen (inklusiv Massnahmen zur pädagogischen Differenzierung und Nachteilsausgleich) sind gute Praxisbespiele. Die Publikation«Troubles du spectre de l’autisme et scolarisation à l’école régulière» ist in einer kurzen und einer langen Fassung verfügbar (nur in Französisch). Sie soll Schulen und Lehrkräfte sensibilisieren und die Integration von Kindern mit ASS in die Regelschule erleichtern.
Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarktintegration
Die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung ist primäres Ziel der IV. Mit der am 15. Februar 2017 vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zur Weiterentwicklung der IV werden die bereits bestehenden Anstrengungen in dieser Hinsicht verstärkt. Zudem fanden im Jahr 2017 drei Nationale Konferenzen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen statt. Auch der neuste Bericht über die Behindertenpolitik will die Gleichstellung der Behinderten auf dem Arbeitsmarkt fördern. Für Menschen mit ASS sind im Rahmen der Weiterentwicklung der IV eine Anpassung der Angebote und eine enge Begleitung notwendig.
Der Übertritt von der Schule in die Ausbildung ist in diesem Zusammenhang von grosser Bedeutung: Nur wenn dieser gelingt, sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung gegeben. Eine verbesserte Koordination und Kooperation ist dafür unumgänglich. Klare Strategien sollten zudem früh geplant und umgesetzt werden, im Idealfall bereits während der Schulzeit. Dies erfordert eine bessere Zusammenarbeit und Informationsweitergabe zwischen schulischen Diensten, IV-Berufsberatungen, Eltern und betroffenen Jugendlichen. Diese Aufgabe kann vom CM Berufsbildung oder von einem Kompetenzzentrum übernommen werden. Der Aufbau eines gut strukturierten Netzwerks zur Begleitung und Unterstützung beim Übergang I ist für alle gesundheitlich beeinträchtigten Jugendliche sehr wichtig, vor allem aber für Jugendliche mit ASS.
Wohnen
Der Bund unterstützt schon jetzt die Selbstbestimmung beim Wohnen, zum Beispiel durch den Assistenzbeitrag. Sehr wichtig ist auch, den Ablösungsprozess vom Elternhaus besser vorzubereiten und zu begleiten. Auch die Erarbeitung von neuen Konzepten für «leichtere» Wohnbegleitung soll gefördert werden.
Im Bereich der Integration könnte ein Kompetenzzentrum eine wichtige Rolle übernehmen, indem es beispielsweise die Schulen mit seinem Fachwissen unterstützt und als Referenzstelle bei schwierigen Situationen einbezogen wird, den Schulen bei der sachgerechten Information an alle beteiligten Parteien zur Seite steht, die Koordination beim Übergang gewährleistet, den Ablösungsprozess vom Elternhaus begleitet oder weitere Hilfestellungen leistet.
Folgende Massnahmen können die Integration unterstützen:
Massnahme |
Zuständig |
Priorität |
Schule |
||
Förderung der schulischen Integration |
||
Übergang zwischen der intensiven Frühintervention und dem Schuleintritt durch Frühinterventionszentren begleiten |
Schulen / Frühinterventionszentren |
1 |
Adäquate und ausreichende schulische Unterstützung der Kinder durch Fachpersonen, die für autismusspezifische Besonderheiten geschult sind |
1 |
|
Weiterbildungen und Unterstützung (Coaching) für Fachpersonen (Lehrer, Heilpädagogen) und Schulen |
Kantone / Schulen/ Fachleute |
1 |
Autismusspezifische Methoden bei Bedarf auch in Regelschulen einsetzen (TEACCH, PECS, ABA) |
2 |
|
Erarbeitung von Good-Practice-Leitlinien |
2 |
|
Ausreichende Information und Sensibilisierung aller betroffenen Parteien (Schulklasse, Tagesschule, Hausaufgabenaufsicht usw.) |
Schulen |
2 |
Ausserschulische Betreuungsangebote verstärken und auf Spezifität der ASS sensibilisieren |
3 |
Gesetzliche Grundlagen
Schule
Die Massnahmen im Schulbereich liegen im Kompetenzbereich der Kantone.
Sie benötigen keine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen, im Gegenteil: Sie tragen dazu bei, die Absichtserklärungen betreffend Integration der verschiedenen Gesetze und Konventionen konkret umzusetzen. Gesetzliche Änderungen auf Stufe Bund sind keine notwendig. Diese Massnahme kommt nicht nur beim Übergang I zum Tragen, sondern während der ganzen beruflichen Ausbildung und kann von einem Kompetenzzentrum gedeckt werden.
Optimierung des Überganges I |
Zuständigkeit | Priorität |
Koordination verbessern, Begleitung von Massnahmen von der Schule ins Erwerbsleben zum Beispiel seitens dem CM BB oder einer spezifischen Fachstelle (Kompetenzzentrum) 19 |
Kantone / IV-Stellen |
1 |
Zusammenarbeit zwischen IV und Schulen verbessern und institutionalisieren, Einbezug der Schule in die IIZ, rechtzeitiger Einbezug der IV in den Berufsfindungsprozess |
IV-Stellen / Schulen/ Berufsberatung / Berufsbildung / IIZ |
1 |
Zurverfügungstellung von geeigneten Abklärungsmassnahmen (Dauer, Intensität), Brückenangebote und Integrationsmassnahmen |
Leistungserbringer i.Z.m. IV-Stellen und Kantonen |
1 |
Berufliche Integration |
||
Förderung der Integration im ersten Arbeitsmarkt |
||
Bereitstellung individuell passender Unterstützungsangebote im Ausbildungskontext (z. B. Supported Education, Job Coaching am Arbeitsplatz und berufspädagogische Unterstützung in der Schule) |
IV-Stellen i.Z.m. Leistungserbringer |
1 |
Bereitstellung von Job-Coaching beim Einstieg in den Beruf und weitere Begleitung am Arbeitsplatz |
IV-Stellen i.Z.m. Leistungserbringer |
|
Enge Zusammenarbeit der IV-Berufsberatung mit Fachpersonen für Autismus |
IV-Stellen |
1 |
Wohnen |
||
Konzipierung von neuen Angeboten |
||
Entwicklung von Angeboten für die Vorbereitung und Begleitung des familiären Ablösungsprozesses |
Leistungen in Zusammenarbeit mit den Kantonen / IV |
2 |
Konzipierung von neuen Wohn- bzw. Assistenzmodellen, die Jugendlichen und Erwachsenen ein möglichst selbstständiges Leben ermöglichen |
2 |
|
Verbesserung der aktuellen Angebote |
||
Anpassung / Erweiterung der bestehenden Angebote zur Unterstützung des selbständigen Wohnens (zum Beispiel begleitetes Wohnen) an die Bedürfnisse der Menschen mit ASS |
Leistungserbringende i.Z.m. Kantonen / IV |
1 |
Wohn-Coaching zur Verfügung stellen und dessen Finanzierung klären |
Leistungserbringende i.Z.m. Kantonen / IV / BAG |
2 |
Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarktintegration
Die IV zielt auf die berufliche Integration aller Menschen mit Behinderung ab. Durch die letzten IV-Revisionen haben sich immer mehr neue Massnahmen und Leistungen entwickelt, die eine bessere Eingliederung ermöglichen sollen. Auch die Weiterentwicklung der IV, deren Botschaft am 15. Februar 2017 vom Bundesrat verabschiedet wurde, enthält Massnahmen, welche die Eingliederung – insbesondere von Jugendlichen und von Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung – erleichtern sollen.
Die im vorliegenden Bericht vorgeschlagenen Massnahmen gehen in die gleiche Richtung und können im Rahmen der Weiterentwicklung der IV umgesetzt werden. Zusätzliche Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen sind nicht notwendig.
Wohnen
Die Invalidenversicherung unterstützt das Wohnen zu Hause durch die Hilflosenentschädigung und den Assistenzbeitrag. Das begleitete Wohnen wird über Leistungsverträge auch von der IV-finanziert. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Zusprache von entsprechenden Leistungen sind klar definiert und erlauben keine grosse Flexibilität.
Bund und Kantone haben festgestellt, dass mit der geltenden Gesetzgebung Menschen mit Behinderung nicht immer die beste Wohnungslösung angeboten werden kann. Deshalb wurde ein Forschungsprojekt lanciert, um einen Gesamtüberblick über die verschiedenen Wohnungsangebote für Menschen mit Behinderung zu gewinnen (Wohnungsformen, Finanzierung, Doppelspurigkeiten, Lücken). Von den Ergebnissen dieser Analyse könnten auch Personen mit ASS profitieren, wenn es gelingt ein neues Finanzierungssystem für Wohnangebote zu finden, das den Bedürfnissen der Betroffenen besser entspricht und eine gewisse Flexibilität zulässt. Der Bundesrat beabsichtigt, Zuständigkeiten und Finanzierung für das betreute Wohnen im Rahmen eines allfälligen Projekts «Aufgabenteilung II» zu überprüfen.
Bei der Entwicklung von Wohnformen, die speziell auf Personen mit ASS ausgerichtet sind, ist im Moment nach Lösungen zu suchen, die mit den geltenden rechtlichen Regelungen umgesetzt werden können.
Kosten
Schule
Die Aufwände für allfällige Massnahmen in den Schulen müssen von den Kantonen getragen werden. Im Einzelnen sind folgende Bereiche betroffen:
- Wenn die Zentren für intensive Frühintervention das Kind beim Schuleintritt begleiten, verursacht dies zusätzliche Kosten, die in der Folge aber die individuellen Unterstützungskosten für das Kind reduzieren dürften.
- Eine bessere Orientierung der schon bestehenden Massnahmen auf die Spezifitäten des Autismus bringt keinen Zusatzaufwand mit sich. In der Schule werden beispielsweise schon jetzt viele Unterstützungsmassnahmen finanziert. Wenn in der Logopädie künftig mit der PECS-Methode gearbeitet wird, erhöhen sich die entsprechenden Kosten nicht.
- Ein erhöhter Zugriff auf Coachingangebote oder Supervisionen für Akteure in der Schule ist an Zusatzkosten für die Kantone gekoppelt. Diese sind aber meistens punktuell.
- Die Kantone sind für eine angemessene Weiterbildung von Lehrpersonen und sonderpädagogischem Personal sowie für die Entwicklung dieser Weiterbildungen zuständig. Die Kosten von Weiterbildungen werden daher schon jetzt getragen.
- Die Zusprache von mehr Unterstützungsstunden (heilpädagogische Begleitung des Kindes) in der Regelschule bedingt grössere finanzielle Aufwendungen. Es ist aber nicht möglich diese zu beziffern, da die Ausgangslage je nach Kanton / Gemeinde / Schule sehr unterschiedlich ist.
- Die Verbesserung der Koordination und der Zusammenarbeit beim Übergang I verursachen keine Mehrkosten.
Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarktintegration
Die Massnahmen für die berufliche Ausbildung und die Arbeitsmarktintegration fallen in die Zuständigkeit der IV. Eine bessere Anpassung an die Spezifität des Autismus verursacht per se keine Zusatzkosten. Dauern die Massnahmen länger oder sind sie betreuungsintensiver, steigen indes auch die entsprechenden Kosten.
Heute belaufen sich die Kosten der IV für die berufliche Integration von Menschen mit ASS auf rund 15 Millionen Schweizer Franken. Wenn man davon ausgeht, dass die Betreuung seitens IV intensiviert resp. die Dauer der beruflichen Massnahmen ausgedehnt werden soll, wird mit Mehrkosten von maximal 5 Millionen Franken pro Jahr gerechnet.
Wohnen
Die Entwicklung neuer Angebote kann Anfangskosten verursachen (zum Beispiel die Entwicklung von neuen Wohncoachingangeboten), diese sind aber einmalig und sollten langfristig keine Mehrkosten verursachen.
Handlungsfeld Integration im weiteren Sinn
Beurteilung der Situation
Geschützter Bereich
Auch wenn der Schwerpunkt auf der Integration liegt, darf nicht vergessen werden, dass bei den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer schweren Form von ASS sowie allfälligen Komorbiditäten, die Integration in die Regelstrukturen nicht immer möglich ist. In einigen Fällen erlaubt nur ein geschützter Rahmen dem Potenzial dieser Menschen am besten gerecht zu werden. Für die schulische Förderung einer bestimmten Teilgruppe von Kindern mit ASS zum Beispiel eignen sich den Experten zufolge jene schulischen Kontexte am besten, die sich ausschliesslich einer Zielgruppe aus dem Autismus-Spektrum widmen und daher eine entsprechende Spezialisierung aufweisen. Ungefähr 1/3 der Menschen mit ASS haben auch eine geistige Behinderung. Andere Studien schätzen diesen Anteil noch höher. Mit entsprechenden Massnahmen und Ressourcen kann ein Teil dieser Gruppe auch integriert werden; ein anderer Teil dieser Zielgruppe ist hingegen auf einen geschützten Rahmen angewiesen. Deswegen sind auch bei den geschützten Angeboten Massnahmen zur Verbesserung der Situation zu prüfen.
Insgesamt ist im Bereich der Sonderschulen, trotz der in der letzten Zeit registrierten positiven Entwicklungen, immer noch eine ungenügende Beachtung und Anpassung der Angebote auf die Spezifitäten des Autismus zu beobachten.
Bei der Berufsbildung decken die in den letzten Jahren entstandenen autismusspezifischen Ausbildungsangebote den Bedarf leider nicht und es wird nur eine eingeschränkte Palette möglicher Ausbildungsberufe angeboten (z. B. die Begrenzung auf IT-Berufe).
Auf der Seite der institutionellen Arbeits- und Wohnangebote zeigen sich Institutionen für Menschen mit Behinderungen zwar für diese Personengruppe zunehmend offen, verfügen aber häufig über unzureichendes Fachwissen und entsprechen somit noch nicht den autismusspezifischen Bedürfnissen.
Im Allgemeinen ist die Anwendung von autismusspezifischen Ansätzen und Methoden in den Schulen, Werkstätten, Eingliederungsstätten, Abklärungsbetrieben und Wohnheimen selten.
Entlastung
Die Bedürfnisse der Familien betreffen zahlreiche unterschiedliche Aspekte, die alle gleich wichtig sind: Sie reichen von finanzieller und administrativer Unterstützung über Elterncoaching (zu dem auch psychologische Unterstützung gehört, um die Diagnose zu verstehen und zu akzeptieren) bis hin zu verschiedenen Formen von Entlastungsangeboten unterschiedlicher Intensität. Die Leistungen der IV (Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag) sind eine wichtige finanzielle Unterstützung; die Behindertenorganisationen helfen bei administrativen Angelegenheiten. Es bestehen bereits verschiedene Angebote, die von unterschiedlichen Trägerschaften angeboten werden. Allerdings sind diese nicht bedarfsabdeckend und nicht explizit auf die Zielgruppe von Menschen mit ASS ausgerichtet. Das vorhandene spezifische Fachwissen ist deswegen unterschiedlich ausgeprägt. Elterncoachings werden fast ausschliesslich im Rahmen der Angebote der intensiven Frühintervention angeboten.
Freizeit
Es bestehen verschiedene Angebote (Ferienlager, Kurse, Tagesstätten, usw.). Häufig sind die Freizeitangebote jedoch nicht für die Zielgruppe von Menschen mit ASS geeignet.
Der Bund unterstützt schon jetzt einige dieser Angebote mit unterschiedlichen Finanzierungen: Zum Beispiel werden Lager oder Freizeitkurse von der IV via Leistungsverträge mitfinanziert. Auch im Rahmen des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes können Projekte von Organisationen oder Kantonen unterstützt werden.
Massnahmen
Geschützter Bereich
Im Rahmen der geschützten Angebote wäre eine bessere Orientierung an die Bedürfnisse der Menschen mit ASS nötig. Es sollten vermehrt spezialisierte Methoden und autismusspezifische Ansätze (z. B. TEACCH, PECS, ABA) angewendet werden, sowohl in den Sonderschulen als auch in Eingliederungsstätten, Werkstätten und Wohnheimen.
Weiter sollen die autismusspezifischen Kompetenzen bei den Fachpersonen erweitert werden, sei es durch Weiterbildung oder durch die Analyse aktueller Praktiken (Intervisionen) und Supervisionen.
Bei den Wohn-, Beschäftigungs-, und Arbeitsangeboten im geschützten Rahmen sollen die Menschen weiterhin gefördert werden – auch über die Volljährigkeit hinaus. Die Arbeits- und Beschäftigungsangebote sollen nicht nur dazu dienen, dort Zeit zu verbringen, sondern die Menschen mit ASS auch weiterhin fördern.
Schliesslich kann eine Flexibilisierung der Übertritte von Jugend- zu Wohnheimen dazu beitragen, die Situation von Menschen mit ASS zu verbessern.
Entlastung
Der Bundesrat anerkennt, dass die Angehörigen einer Person mit ASS oder einer anderen Behinderung Entlastung brauchen. Neben finanziellen Mitteln, besseren Rahmenbedingungen und der Aufstockung der IPZ-Beiträge ist aus Sicht der Angehörigen auch eine Ausweitung konkreter Entlastungsangebote wichtig.
In Bezug auf das Elterncoaching sowie die psychologische und administrative Unterstützung könnten auch die Kompetenzzentren eine wichtige Rolle spielen.
Freizeit
Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes sowie die UNO-Behindertenrechtskonvention sprechen Kindern ein Recht auf Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu.
Neben der oben genannten Unterstützung im Rahmen von verschiedenen Gesetzen ist der Bundesrat der Meinung, dass auch der Zugang zu integrativen Freizeitangeboten gefördert werden soll.
Verbesserung der aktuellen Angebote in den Sonderschulen, Eingliederungsstätten, Werkstätten und Wohnheime
- Anpassung der bestehenden Angebote an die Bedürfnisse der Menschen mit 2 ASS, indem z.B. autismusspezifische Ansätze und Methoden angewendet
werden (TEACCH, PECS, ABA) und die Rahmenbedingungen (räumliche
Gestaltung, Geräusche, usw.) optimiert werden - Unterstützung (Coaching, Intravision, Supervision) für Fachpersonen und In- 2 stitutionen (Sonderschulen, Eingliederungsstätten, Werkstätten, Wohnheime)
Gesetzliche Grundlagen
Die vorgesehenen Massnahmen erfordern weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene gesetzliche Anpassungen.
Kosten
Geschützter Bereich
Eine bessere Orientierung der schon bestehenden Angebote auf die Spezifitäten des Autismus bringt keinen Zusatzaufwand mit sich. Im Gegenteil zeigt eine Untersuchung im Kanton Waadt dass spezifische Angebote weniger betreuungsintensiv sein können. Gemäss dieser Untersuchung wird für die Betreuung von Menschen mit Autismus in einer nicht-spezifischen Wohngruppe eine Betreuung von 2.2 Vollzeitstellen eingerechnet. Dank einer Spezialisierung konnte dieser Bedarf auf 1.5 Vollzeitstellen reduziert werden.
Entlastung
Eine bessere Orientierung der schon bestehenden Massnahmen auf die Spezifitäten des Autismus bringt keinen Zusatzaufwand mit sich, ausser wenn diese eine höhere Betreuungsintensität bedeutet.
Die Kosten für die in Anspruch genommenen Entlastungstage werden von den Familien getragen. Im Januar 2018 wurden die Ansätze für den Intensivpflegezuschlag deutlich erhöht, damit die Eltern von schwerbehinderten Kindern mehr Mittel zur Verfügung haben, um u.a. Entlastungsangebote zu finanzieren. Die Ausweitung von Angeboten und eine finanzielle Unterstützung seitens der Kantone, damit diese Angebote bezahlbar bleiben, bedingen finanzielle Aufwendungen. Die damit verbundenen Kosten hängen aber sehr stark von der Situation in den einzelnen Kantonen ab, weshalb keine genaueren Schätzungen möglich sind. Es ist aber festzuhalten, dass solche Entlastungsangebote langfristig dazu beitragen können, dass weniger Personen mit ASS in einem Internat platziert werden müssen, wodurch sich die damit verbundenen Kosten verringern.
Freizeit
Die Finanzierung von Freizeitangeboten obliegt den Familien. Dank der Erhöhung des Intensivpflegezuschlags (seit 1. Januar 2018) haben die Eltern von Kindern mit Intensivpflegezuschlag mehr Mittel zur Verfügung, um Freizeitangebote zu finanzieren. Die Öffnung bereits bestehender Angebote für Kinder mit ASS dürfte dementsprechend keine Mehrkosten für die öffentliche Hand generieren.
Handlungsfeld Ausbildung von Akteuren
Beurteilung der Situation
Das Thema Autismus ist in den Grundausbildungen der meisten involvierten Berufe schon jetzt vorhanden. Auch im Bereich der Weiterbildung gibt es verschiedene Angebote. Inwieweit diese aber genügend und geeignet sind, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Gestützt auf einen Bericht des Kantons Waadt ist aber zu vermuten, dass das Thema ASS in der entsprechenden Grundausbildung je nach Beruf sehr unterschiedlich gewichtet wird und die Lerninhalte nicht immer den internationalen Empfehlungen entsprechen.
Massnahmen
Nur eine gezielte Qualifikation der Fachpersonen erlaubt es, den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ASS angemessen und professionell zu begegnen. Auch der UNO-Kinderrechtsausschuss fordert, dass Fachkräfte, die mit Kindern mit ASS arbeiten, angemessen auszubilden sind. Die Notwendigkeit für die unterschiedlichen Fachleute, autismusspezifisches Wissen zu erlangen, wurde schon im Forschungsbericht in allen Bereichen hervorgehoben. Je nach Berufskategorien sind die Bedürfnisse anders. Im Anhang 4 befindet sich eine Zusammenstellung des Aus- und Weiterbildungsbedarfs pro Berufskategorie. Wichtig ist ausserdem, dass die Ausbildungsanstrengungen nicht nur einzelne Fachpersonen, sondern auch ganze Institutionen umfassen.
Die involvierten Akteure sollten dabei die Möglichkeit haben, auf eine spezifische Unterstützung – wie z.B. Coachings oder Supervisionen – zurückgreifen zu können.
Auch im Bereich der Ausbildung können die Kompetenzzentren eine wichtige Rolle spielen, indem sie für die involvierten Akteure die Referenzstelle für Autismusfragen werden. In dieser Rolle können sie gezielte, institutionsspezifische Ausbildungen organisieren, Sensibilisierungskampagnen für bestimmte Zielgruppen durchführen oder Unterstützung bei schwierigen Phasen und Fragen anbieten.
Massnahme |
Zuständig |
Prio |
Ausbildung von Akteuren |
||
Gewährleisten, dass in jedem Kanton Referenzpersonen für ASS zur Verfügung stehen |
||
Referenzstellen für Fragen betreffend Autismus aufbauen (zum Beispiel Kompetenzzentrum) |
1 |
|
Erweiterung der internen Fachkompetenzen in den Institutionen |
||
Interne Weiterbildungen an Institutionen durch erfahrene Mitarbeitende |
Institutionsleitung |
1 |
Möglichkeit für Schulen und Institutionen, Support/Coaching zu erhalten |
Institutionsleitung / Schulleitung |
1 |
Möglichkeit für Schulen und Institutionen, durch Intervision/Supervision ihr Handeln zu reflektieren |
Institutionsleitung / Schulleitung |
1 |
Gesetzliche Grundlagen
Die vorgesehenen Massnahmen erfordern weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene gesetzliche Anpassungen.
Kosten
Die Weiterbildungen erfolgen auf individueller und freiwilliger Basis, deren Kosten werden nicht von der öffentlichen Hand finanziert.
Bei den institutionell tätigen Fachpersonen (Schule, Wohnheime, Berufsberatung usw.) sind die Kosten für Weiterbildungsmassnahmen (und Supervisionen) schon jetzt Bestandteil der Personalkosten.
Handlungsfeld Datenlage
Neben den Bereichen, die in den Empfehlungen des Forschungsberichts erwähnt wurden, gibt es einen weiteren horizontalen Aspekt hervorzuheben, in dem ebenfalls Verbesserungen einzuleiten wären: die Datenlage.
Beurteilung der Situation
Schon im Forschungsbericht wurde auf die Schwierigkeit hingewiesen, Daten und Zahlen im Bereich Autismus zu finden.
Dieser Situation ist sich auch der UNO-Kinderrechtsausschuss bewusst. Er empfiehlt der Schweiz daher, ihr Datenerhebungssystem unverzüglich zu verbessern, damit die Situation aller Kinder, insbesondere diejenige der gefährdeten Kinder, einfacher ana- lysiert werden kann. Zudem empfiehlt der Ausschuss, die Daten und Indikatoren für die Erarbeitung, Überwachung und Evaluation von Politik, Programmen und Projekten zur wirksamen Umsetzung der Konvention heranzuziehen.
Massnahmen
Im Moment ist nicht bekannt, wie viele Menschen mit ASS in der Schweiz leben, welchen Typ von ASS sie haben, sowie ob und welche Leistungen sie beziehen. Für die strategische Planung auf kantonaler und auf Bundesebene sind solche Daten jedoch unabdingbar.
Berücksichtigung des Themas Autismus in Grundausbildungen und Weiterbildungen |
Zuständig |
Prio |
|
Autismusspezifische Module in Lehrpläne der Grundausbildung aller involvierten Berufskategorien integrieren |
(Fach-)Hochschulen / Berufsverbände |
2 |
|
Weiterbildungen zum Thema Autismus organisieren (auch teils durch E-Learning, damit möglichst viele Personen erreicht werden) |
Berufsverbände / Ausbildungs-institutionen |
2 |
Folgende Massnahmen würden die Situation verbessern:
Massnahme |
Zuständig |
Prio |
Datenlage |
||
Datenlage über Autismus verbessern |
||
Epidemiologische Studien initiieren |
Nationalfonds / Fachgesellschaften |
2 |
Autismus-Register aufbauen |
Fachgesellschaften |
2 |
Im Rahmen des Projekts MARS (Statistiken der ambulanten Gesundheitsversorgung) sollen beim Bundesamt für Statistik Daten zur ambulanten Versorgung von Patientinnen und Patienten in Spitälern, ambulanten Zentren und Arztpraxen erhoben werden. Diese Daten umfassen soziodemografische Informationen zu den Leistungen sowie zur Morbidität der Patientinnen und Patienten. Diagnostische Angaben werden nur dann erhoben, wenn sie in systematischer Weise vorliegen. Erst wenn die ersten Daten vorliegen, wird man beurteilen können, ob sie für den Bereich Autismus genügen oder ob allenfalls weitere Massnahmen nötig sind.
Gesetzliche Grundlagen
Die vorgeschlagenen Massnahmen bedingen keine gesetzlichen Anpassungen.
Kosten
Eine Kostenschätzung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.
Zusammenfassung
Die in diesem Bericht aufgestellten Vorschläge beabsichtigen, die Integration der Menschen mit ASS in der Gesellschaft soweit wie möglich zu fördern und ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu erlauben. Wenn diese Teilnahme ermöglicht werden kann, hat dies auch positive Auswirkungen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand sowie der Sozialversicherungen.
Durch die Definition von prioritären Handlungsschwerpunkten beabsichtigt der Bundesrat, ein kohärentes Unterstützungssystem zu schaffen:
- Früherkennung und Diagnostik: Die Verbesserung der Früherkennung und Diagnostik dient dazu, die betroffenen Menschen frühzeitig zu identifizieren, damit sie so früh wie möglich geeignete Massnahmen erhalten, welche die Auswirkungen der Krankheit mildern können.
- Beratung und Koordination: Die Beratung der Betroffenen und deren Angehörigen und die Koordination sollen dazu führen, dass die im individuellen Fall geeignetsten Fördermassnahmen, Lösungen oder Angebote in Anspruch genommen werden und somit deren Wirksamkeit steigt. Diese koordinierte und kontinuierliche Beratung und Begleitung stellt sicher, dass Menschen mit ASS auch für sie besonders schwierige Wechsel und Übertritte (z.B. von einer Schulstufe zur nächsten oder von der Schule zur beruflichen Ausbildung und ins Erwerbsleben) meistern können, ohne den Anschluss zu verlieren. Die Koordination soll weiter Synergien schaffen und vermeiden, dass mehrere Therapien und/oder Massnahmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten ergriffen werden. Mit einer verbesserten Koordination kann auch in allen anderen Handlungsfeldern ein positiver Effekt erzielt werden.
- Frühintervention: Zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigen die Wirksamkeit der intensiven Frühintervention. Es wird darauf hingewiesen, dass bei frühkindlichem Autismus eine frühzeitige (intensive) Behandlung angezeigt ist, da diese dank der Gehirnplastizität am erfolgversprechendsten ist und auch langfristig eine bessere Integration ermöglicht.
Auch in weiteren Handlungsfeldern kann die Integration von Menschen mit ASS verbessert werden. Dies betrifft namentlich die Bereiche Schule, berufliche Ausbildung und Wohnen. Hinzu kommen weitere Handlungsbereiche wie der geschützte Bereich, die Entlastung der betreuenden Personen, die Freizeitgestaltung, die Ausbildung der Fachpersonen sowie die Verbesserung der Datenlage.
Die Umsetzung von Massnahmen in den erwähnten Handlungsfeldern ist im Rahmen der geltenden Rechtsordnung möglich. Sie bedingt in erster Linie eine bessere Absprache und Koordination der verschiedenen beteiligten Akteure.
Finanzielle und personelle Auswirkungen
Es ist nicht möglich, die finanziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Massnahmen exakt vorauszusagen. Im Moment ist nicht bekannt, wie viele Menschen mit ASS in der Schweiz leben, welche Leistungen sie schon beziehen und inwieweit diese ihrem Handicap angepasst sind oder nicht. Das Mengengerüst kann deswegen im besten Fall nur geschätzt werden.
Ausserdem hängen die finanziellen Auswirkungen stark von den örtlichen Gegebenheiten ab. Einerseits muss berücksichtigt werden, inwieweit schon Strukturen bestehen, die Versorgung gewährleistet und in welchem Ausmass eine Aufstockung und/oder Verbesserung nötig ist. Diese Angaben sind je nach Kanton und Gemeinde anders und die finanziellen Investitionen gestalten sich deshalb je nach Ausgangslage ganz unterschiedlich. Auf der anderen Seite variieren die Lohnkosten von vielen Berufsgruppen (z.B. Lehrer und Heilpädagogen) sowie Infrastrukturkosten je nach Kanton stark. Die nötigen Anpassungen können deswegen auch nur grob eruiert und deren Kosten nur durchschnittlich berechnet werden.
Es muss aber betont werden, dass diese Investitionen auch Ersparnisse einbringen. Eine frühzeitige, bessere Diagnose erlaubt es, rechtzeitig angemessene Behandlungen und Therapien einzuleiten, die dank der grösseren Neuroplastizität des kindlichen Gehirns zu besseren Resultaten führen können. Eine solche Verbesserung der Situation im frühen Kindesalter geht mit Ersparnissen bei den nachfolgenden Unterstützungsmassnahmen in der Schule, der Ausbildung und der Arbeit oder beim Wohnen einher. Bei einer gesteigerten Intensität der Therapien können zum Beispiel grössere Fortschritte in der Autonomie und Integration erreicht werden; durch eine verbesserte Koordination können Abbrüche bei der Ausbildung vermieden werden, durch Coaching können eintretende Krisen vermieden werden usw. Bessere Unterstützungsmassnahmen in der Schule, sowohl für die Kinder als für die Fachpersonen, können Überforderungen von allen Seiten und in schlimmsten Fällen eine Überweisung in eine Sonderschule vermeiden. Investitionen beim Übergang zwischen Schule und Ausbildung, bei der beruflichen Ausbildung und im Arbeitsmarkt können dazu beitragen, dass die Betroffenen in den Arbeitsmarkt eintreten können, was wiederum mit Ersparnissen bei Renten und Sozialhilfe verbunden ist.
Die Finanzierung der intensiven Frühintervention kann diese Wechselwirkung exemplarisch darstellen. International wurden die langfristigen Einsparungen in mehreren Studien nachgewiesen. Man schätzt die durchschnittlichen Einsparungen für ein Kind, das frühintensive ABA-Therapie erhält, auf 1.6 Millionen Dollar bezogen auf die gesamte Lebensdauer. Weitere Studien zeigen ebenfalls erhebliche Einsparungen für Texas bzw. Ontario auf. Spezialisten schätzen die möglichen Einsparungen der Niederlande durch die intensive Frühintervention auf 1,1 Millionen Euro pro Person zwischen 3 und 65 Jahren.
Die britische National Autistic Society geht zum Beispiel davon aus, dass langfristig eine Kostenneutralität für die öffentliche Hand gewährleistet werden kann, wenn die nationalen Gesundheitsdienste (National Health Services) in der Lage sind, 4 Prozent der Erwachsenen mit High-Functioning-Autismus oder Asperger Syndrom, die bisher nicht diagnostiziert wurden, zu erkennen und danach zu unterstützen. Bei einer Quote von 8 Prozent wären sogar Einsparungen von 67 Millionen Pfund Sterling pro Jahr möglich.
Betrachtet man die durchschnittlichen Betreuungskosten für einen Menschen mit ASS in einem Heim, welche sich auf rund 15 Millionen Schweizer Franken für eine lebenslange Begleitung belaufen dürften, sind schon dann Einsparungen möglich, wenn nur 2% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der intensiven Frühintervention pro Jahrgang später komplett selbständig leben können.
Weiter sind bei manchen Massnahmen nur einmalige Zusatzkosten zu verzeichnen. Änderungen in den Grundausbildungen beinhalten beispielsweise einmalige Kosten für die Entwicklung/Überarbeitung und Anpassung der Lehrpläne. Sie haben aber ausser bei einer Erhöhung der Stunden oder einer Verlängerung der Ausbildungsdauer keine finanziellen Konsequenzen. Auch für die Informations- und Sensibilisierungsarbeit sind vor allem am Anfang überschaubare finanzielle Investitionen nötig. Die Erarbeitung von neuen Konzepten und Angeboten bei Ausbildungsmassnahmen und Wohnlösungen ist ebenso mit Entwicklungs- und Anfangskosten verbunden. Diese sind einerseits schwierig zu schätzen und andererseits gehören sie zur normalen Entwicklung: sowohl Ausbildungen als auch Unterstützungsangebote (Wohnen, Arbeit usw.) müssen sich ständig an die gesellschaftliche Entwicklung und an neue Bedürfnisse anpassen.
Es wird nachfolgend trotzdem ein Versuch unternommen, die finanziellen Kosten zu eruieren und zu beschreiben.
Auf Bundesebene
Personelles
Die vorgesehenen Massnahmen erfordern keine Aufstockung des Personals beim Bund.
Finanzielles
Auch wenn der Bund von einigen Massnahmen betroffen sein könnte (Datenlage, Ausbildungslehrgänge bei Berufen im Gesundheitswesen usw), verursachen die vorgesehenen Massnahmen keine Mehrkosten.
Bei den Sozialversicherungen
Personelles
Die vorgesehenen Massnahmen erfordern keine Aufstockung des Personals bei den Sozialversicherungen, insbesondere auch nicht bei den IV-Stellen.
Finanzielles
Auf Seite der Sozialversicherungen ist prinzipiell die IV in der Pflicht. Sie ist vor allem bei folgenden Massnahmen betroffen:
- Diagnostik: Die Diagnostik wird bei den Minderjährigen zum grössten Teil von der IV übernommen. Dies ist aber schon jetzt der Fall. Die Verbesserung der Diagnostik per se bringt keine Mehrkosten mit. Die Erhöhung der Kapazitäten der diagnostischen Zentren soll zudem dazu beitragen, dass es nicht zu einer Mengenausweitung kommt.
- Frühintervention: Die intensive Frühintervention dürfte Mehrkosten pro Jahr von 10 bis 15 Millionen Schweizer Franken bedeuten. Eine Erhöhung der Intensität der Ergotherapie, Psychotherapie und Physiotherapie wird zu Mehrkosten von maximal 1 bis 4 Millionen Schweizer Franken pro Jahr führen.
- Berufliche Integration: Gemäss aktuellen Schätzungen würden infolge einer Intensivierung der beruflichen Massnahmen die aktuellen Kosten der IV um rund 30% zunehmen. Es wäre somit mit Mehrkosten in der Höhe von rund 5 Millionen Schweizer Franken zu rechnen.
Die maximalen Mehrkosten für die IV werden gemäss diesen Schätzungen 16 bis 24 Millionen Schweizer Franken betragen.
Auf kantonaler Ebene
Personelles
Gemäss obigen Empfehlungen ist in den KJPD, ähnlichen Zentren oder Spitälern eine Erhöhung der Anzahl Fachpersonen und Ärzte angezeigt, damit die Wartezeiten bei der Diagnostik sinken. Zudem ist auch für den Aufbau der Kompetenzzentren mit einem Ausbau der Fachpersonen zu rechnen. Dasselbe gilt für den Aufbau der Früherziehungsdienste und die schulische Unterstützung. Die Kosten für diese zusätzlichen Anstellungen sind in den nachfolgenden Schätzungen der finanziellen Auswirkungen berücksichtigt.
Finanzielles
Die Kantone sind vor allem bei folgenden Massnahmen betroffen:
- Diagnostik: Der Bundesrat geht davon aus, dass die Kantone für die Verbesserung der Angebote auf zusätzliches Personal in den Spitälern oder KJPD-Zentren angewiesen sind. Die damit verbundenen Kosten können jedoch auf die IV und die Krankenkassen überwälzt werden, weil diese Versicherungen die Kosten für die Diagnostik tragen müssen.
- Informations- und Sensibilisierungskampagnen: Die zusätzlichen Bestrebungen sind nach Ansicht des Bundesrates durch punktuelle finanzielle Investitionen umsetzbar. Auf Basis einer Sensibilisierungskampagne im Tessin kann gesamt- schweizerisch von 1 Million Franken Kosten ausgegangen werden, wobei Synergien zwischen Kantonen möglich sind und die Kosten tiefer ausfallen könnten.
- Beratung und Koordination: Eine Extrapolation der aktuellen Kosten von Jura und Tessin zeigen, dass der Aufbau von Kompetenzzentren gesamtschweizerisch ca. 20 Millionen Schweizer Franken kosten würde.
- Frühintervention: Die intensive Frühintervention bringt Mehrkosten pro Jahr von 10 bis 15 Millionen Schweizer Franken. Die Mehrkosten bei einer Erhöhung der Intensität der Logopädie und Früherziehung können nicht eruiert werden. Die Bereitstellung von Frühinterventionsprogrammen für «Risikokinder» sollte kostenneutral sein.
- Schule/Entlastung: Die Mehrkosten können nicht eruiert werden.Die Kosten für die Umsetzung sämtlicher Massnahmen durch die Kantone wären somit mit geschätzten Mehrkosten von ungefähr 36 Millionen Franken verbunden. Dazu kommen noch Kosten, die im Moment nicht schätzbar sind. Es ist allerdings zu beachten, dass der Bundesrat trotz der Auflistung sehr vieler Massnahmen einerseits eine Priorisierung vorschlägt. Andererseits differiert der Handlungsbedarf von Kanton zu Kanton sehr stark, weshalb auch die zu erwartenden Kosten unterschiedlich hoch sein dürften. Abschliessend kann somit festgehalten werden, dass die vorgesehenen Massnahmen zwar an Zusatzkosten für die Kantone bzw. für die IV gekoppelt sind, diese Kosten allerdings überschaubar sind. Wie oben schon angetönt, muss weiter berück- sichtigt werden, dass dank der Umsetzung der Massnahmen im Gegenzug auch Kosten eingespart werden können.
Prioritäten des Bundes und weiteres Vorgehen
Der Bundesrat hat schon in einem Bericht vom 21. Juni 2015 einen Handlungsbedarf im Bereich der ASS erkannt. Mit dem vorliegenden Bericht konkretisiert er nun diesen Handlungsbedarf und ist überzeugt, einen wichtigen Meilenstein für die Verbesserung der Situation von Menschen mit ASS zu setzen.
Die vorliegenden Massnahmen werden nicht alle gleichzeitig umgesetzt werden können, zeigen jedoch den Weg auf, um die Inklusion von Menschen mit ASS zu verbessern.
Der Bundesrat lädt alle betroffenen Akteure und dabei insbesondere die Kantone ein, anhand des vorliegenden Berichts und der darin enthaltenen Massnahmen Überlegungen zur konkreten Umsetzung der in Ihrer Kompetenz liegenden Massnahmen voranzutreiben und wird seinerseits im Rahmen seiner Kompetenzen und Aufgaben dazu beitragen, die Situation von Menschen mit ASS kontinuierlich zu verbessern.
Die erarbeiteten Massnahmen sind im Rahmen der geltenden Kompetenzordnung gemäss NFA umzusetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Ausgangslage in jedem Kanton und in jeder Gemeinde ganz unterschiedlich präsentiert. Je nachdem, inwieweit schon Strukturen bestehen, die Versorgung gewährleistet ist und in welchem Ausmass eine Aufstockung und/oder Verbesserung nötig ist, sind die Prioritäten anders zu setzen und andere Massnahmen zu treffen. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Kantone diese Massnahmen nur im Rahmen ihrer Budgets und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismässigkeit (Angemessenheit) umsetzen können. Gerade deshalb schlägt der Bundesrat eine klare Priorisierung vor, anhand welcher sich die Priorität und die Bedeutung der einzelnen Massnahmen ableiten lassen. Zumal die meisten Massnahmen eine Verbesserung der Koordination beinhalten, die nicht zwingend mit einem Ausbau der Kosten einhergeht, besteht nach Ansicht des Bundesrates unabhängig von der finanziellen Situation in den einzelnen Kantonen ein Handlungsspielraum und somit ein Handlungsbedarf.
Entsprechend möchte er alle Akteure ermuntern, bei der Umsetzung eine aktive Rolle zu übernehmen. Namentlich erachtet er es als sinnvoll, wenn die Kantone und Gemeinden – in enger Zusammenarbeit mit allen involvierten Akteuren – eine Auslegeordnung betreffend Strukturen und der aktuellen Versorgung vornehmen und gestützt darauf konkrete Massnahmen definieren.
Für die Massnahmen, welche in der Bundeskompetenz liegen, will der Bund in folgenden Punkten Akzente setzen:
- Bei Vorliegen eines Wirkungsnachweises soll eine gemeinsame Finanzierung zwischen IV und Kantonen bei der intensiven Frühintervention gefunden werden. Um diesen Willen zu bekräftigen, wird das BSV das laufende Projekt verlängern. So kann gemeinsam mit den Kantonen die Struktur und Organisation der zu finanzierenden Programme definiert, ein Outcome-Modell entwickelt und eine gemeinsame Finanzierung gefunden werden. Die IV ist bereit, einen Teil der Kosten zu übernehmen, sofern die Kantone ebenfalls ihren Beitrag leisten.
- Förderung der Integration in eine berufliche Ausbildung und in den Arbeitsmarkt (im Rahmen der Weiterentwicklung der IV).
Sollte sich gestützt auf einen ausgewiesenen Bedarfsnachweis zeigen, dass eine allfällige Erhöhung der Beiträge an Organisationen für entsprechende Beratungsleistungen und Freizeitangebote angezeigt ist, wird das Bundesamt für Sozialversicherungen prüfen, ob entsprechende Anträge mit den verfügbaren Mitteln genehmigt werden können. Zudem wird im Rahmen eines allfälligen Projekts «Aufgabenteilung II» geprüft werden, ob im Bereich des betreuten Wohnens mit einer Stärkung der Rolle der Kantone Optimierungen möglich sind.
Zentrales Anliegen des Bundesrates ist eine Lösung bezüglich einer gemeinsamen Finanzierung Bund-Kantone für die intensive Frühintervention – sofern deren Wirksamkeit nachgewiesen werden kann. Es ist das Ziel des Bundesrates, dass diese wichtigen Behandlungen zielgerichtet durchgeführt werden können, ohne dass die betroffenen Zentren oder die Eltern mit komplexen Finanzierungsfragen konfrontiert werden. Der Bundesrat hält allerdings fest, dass eine Lösung nur gemeinsam mit den Kantonen gefunden werden kann. Dazu braucht es schon während des Pilotversuchs einen regelmässigen Austausch. Im Rahmen dieser Gespräche mit den Kantonen sowie den betroffenen Regierungskonferenzen wird auch die Umsetzung der Massnahmen in den anderen prioritären Handlungsfeldern diskutiert werden. Zudem möchte der Bundesrat die Kantone ermuntern, eine Auslegeordnung betreffend der bestehenden Strukturen vorzunehmen.
Empfehlungen aus dem Forschungsbericht
- Empfehlung 1
Für jeden Kanton sollte sichergestellt werden, dass mindestens eine zuständige «Fachstelle für Autismusdiagnostik» mit bedarfsdeckenden Kapazitäten zur Verfügung steht. Kooperationen mit anderen Kantonen zur Abdeckung dieses Bedarfs können sinnvoll sein.- Flankierende Empfehlung: Für die bereits im frühen Kindesalter besonders relevanten Fachpersonen, insbesondere aus den Bereichen Pädiatrie und heilpädagogische Früherziehung, sollten spezifische Lehrgänge zur Früherkennung der Autismus-Spektrum-Störungen (Screening- Verfahren) angeboten werden.
- Empfehlung 2
Für jeden Kanton sollte sichergestellt werden, dass mindestens ein «Autismuskompetenzzentrum» mit bedarfsdeckenden Kapazitäten zur Verfügung steht. Kooperationen mit anderen Kantonen zur Abdeckung dieses Bedarfs können sinnvoll sein. - Empfehlung 3
Für jedes im Vorschulalter mit einer Autismus-Spektrum-Störung diagnostizierte Kind und ausgeprägtem Förderbedarf sollten intensive evidenzbasierte Behand- lungen bei frühkindlicher Intervention bereitgestellt werden. Flankierende Empfehlung (Empfehlung 3a): Eine langfristige finanzielle Absi- cherung sowie der bedarfsdeckende Ausbau von Angeboten früher Intensiv- behandlungen (gemäss des Pilotprojektes des IV-Rundschreibens Nr. 325)27sollten gewährleistet sein. Flankierende Empfehlung (Empfehlung 3b): Das Angebot der heilpädagogi- schen Früherziehung für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung sollte in seiner Intensität aufgestockt und einheitlicher gestaltet werden. - Empfehlung 4
Für die Altersphase nach der Frühbehandlung bis einschliesslich der Adoleszenz sollte ein koordiniertes System autismusspezifischer Interventionen entwickelt werden. - Empfehlung 5
Regionale und kantonale Schulkonzepte sollten einer kritischen Überprüfung hinsichtlich der Anwendung der formulierten Good-Practice-Kriterien unterzogen werden. - Empfehlung 6
Für den Prozess der Berufsvorbereitung, der beruflichen Abklärung und Ausbildung sollte ein bedarfsdeckender Ausbau autismusspezifischer Unterstützungsangebote erfolgen. - Empfehlung 7
Dem Stellenwert familienunterstützender und für die Autonomieentwicklung förderlicher Angebote sollte sowohl auf Ebene der Konzeptentwicklung als auch auf Ebene der praktischen Umsetzung eine höhere Priorität zukommen.- Flankierende Empfehlung: Für eine gelingende Gestaltung des Übergangs in ein selbstständiges Leben sollten für die Personengruppe der jungen Erwachsenen mit einem Asperger-Syndrom bzw. High-Functioning-Autismus bedarfsorientiert adäquate Wohn- und Assistenzmodelle entwickelt und realisiert werden.
- Empfehlung 8
Die Ausbildung von Expertinnen und Experten für Autismus-Spektrum-Störungen sollte durch ein umfangreiches Angebot spezifischer Curricula sowie die Imple- mentierung von autismusspezifischen Inhalten in relevante Berufsausbildungen (u. a. Pädiatrie, Psychologie, Heilpädagogik, Ergotherapie, Logopädie) gefördert werden.
Therapien, Massnahmen und Akteure in den verschiedenen Lebensphasen
Die folgenden Tabellen fassen die wichtigsten Etappen und Massnahmen im Leben einer Person mit einer Autismus-Spektrum-Störung zusammen. In der Tabelle nicht aufgeführt ist die Diagnosestellung, da diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen kann (Kleinkindalter, Schuleintritt, Jugend, Erwachsenenalter). Auch die Bereiche Wohnen, Freizeit, Entlastung fehlen.
Aufgezeigt werden die häufigsten und geeignetsten Therapien für Kinder und Jugendliche mit ASS; die Liste ist jedoch nicht abschliessend. Ausserdem wird nicht (immer) die Realität abgebildet, sondern eher ein Soll-Zustand. Es soll in erster Linie ein Bild davon vermittelt werden, wie komplex die Situation ist, wie viele Personen und Stellen involviert sind und wie wichtig daher eine übergreifende Koordination ist.
Kleinkind und Vorschule
Lebensphase / Interventionen |
Therapien / Interventionen / Massnahmen |
Involvierte Dienststellen und Akteure |
Rahmenbedingungen |
Vorschulkinder |
|
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Übergang zur Schule |
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Jeder Kanton weist Besonderheiten auf. So können dieselben Departemente oder Stellen in einem anderen Kanton anders bezeichnet oder dieselbe Aufgabe in einem Kanton von anderen Departementen oder Stellen wahrgenommen werden. Als Beispiel sind in der Tabelle die Zuständigkeiten und Bezeichnungen im Kanton Bern aufgeführt.
Schule
Lebensphase / Interventionen |
Therapien / Interventionen / Massnahmen |
Involvierte Dienststellen und Akteure |
Rahmenbedingungen |
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Schule (Regelschule und Sonderschule) |
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Übergänge31 in der Schule |
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Übergang I |
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Anhang zu Berufsausbildung und Studium
Lebensphase / Interventionen |
Therapien / Interventionen / Massnahmen |
Involvierte Dienststellen und Akteure |
Rahmenbedingungen |
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Ausbildung dual |
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Ausbildung schulisch (Gymnasium, Fachschule usw.) |
Sozialtraining |
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Übergang zum Studium |
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Übergang II |
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Beratung der Arbeitgeber
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Arbeitsmarkt
Lebensphase / Interventionen |
Therapien / Interventionen / Massnahmen |
Involvierte Dienststellen und Akteure |
Rahmenbedingungen |
Arbeit im geschützten Rahmen |
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Arbeit im 1. Arbeitsmarkt |
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Aus-und Weiterbildungsbedarf
Berufsgruppe |
Grundausbildung |
Weiterbildung |
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Erkennung |
Therapie Begleitung /Unterstützung |
Erkennung |
Therapie Begleitung /Unterstützung |
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Hausärzte, Kinderärzte |
Basiswissen zu den Erscheinungsformen und Charakteristika des Autismus |
spezifische Lehrgänge zur Früherkennung der ASS (Screening-Verfahren), Ausbildungen zur CHAT, FSK, VSK usw. |
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Kinder-/Jugendpsychiater |
Basiswissen zu den Erscheinungsformen und Charakteristika des Autismus |
Ausbildungen zur A- DOS, ADI-R, PEP-R /A-APEP |
||
Psychiater |
Basiswissen zu den Erscheinungsformen und Charakteristika des Autismus |
Ausbildungen zur A- DOS, ADI-R, PEP-R /A- APEP | ||
Heilpädagogische Früherzieher, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychomotoriktherapeuten, Schulische Heilpädagogen in Regel- schulen |
Basiswissen zu den Erscheinungsformen und Charakteristika des Autismus |
Kenntnisse über wirksame Interventionen und Prinzipien qualitativ hochwertiger Arbeit |
Fortbildungen zur Erkennung der ASS |
TEACCH, PECS, ABA usw, Kenntnisse über wirksame Interventionen und Prinzipien qualitativ hochwertiger Arbeit |
Schulische Heilpädagogen in Sonderschulen |
Basiswissen zu den Erscheinungsformen und Charakteristika des Autismus |
Kenntnisse über wirksame Interventionen und Prinzipien qualitativ hochwertiger Arbeit |
TEACCH, PECS, ABA usw, Kenntnisse über wirksame Interventionen und Prinzipien qualitativ hochwertiger Arbeit |
Andere Akteure, die mit Menschen mit ASS in Kontakt treten können, brauchen keine eigentliche Aus- oder Weiterbildung, sondern eher eine Sensibilisierung oder in ganz spezifischen Situationen Coaching, Supervisionen oder Intravisionen.
Schulpsychologische Dienste, Schulpsychologen, Erziehungsberatung |
Fortbildungen zur Erkennung der ASS |
TEACCH, PECS, ABA usw, Kenntnisse über wirksame Interventionen und Prinzipien qualitativ hochwertiger Arbeit |
Berufsberater (IV) |
Basiswissen zu den Charakteristika des Autismus |
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[…] Behörden tun sich bis heute schwer damit, Autismus als eine Behinderung anzuschauen. Deswegen sind Autisten […]