Endlich Unterschied im Gehirn von Autisten entdeckt

Eine neue Studie hat einen molekularen Unterschied im Gehirn autistischer Menschen aufgedeckt, der mit den zentralen Merkmalen der Krankheit in Zusammenhang steht. Es ist das erste Mal, dass die synaptische Dichte bei lebenden Menschen mit Autismus gemessen wurde.

Mithilfe von Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Scans stellten Forscher fest, dass die Gehirne autistischer Erwachsener weniger Synapsen haben – wichtige Verbindungen, über die Nervenzellen Signale untereinander oder mit anderen Zelltypen austauschen – als die Gehirne neurotypischer Menschen. Darüber hinaus stellte das Forschungsteam fest, dass eine Person umso mehr autistische Merkmale aufwies, je weniger Synapsen sie hatte. Das Team veröffentlichte seine Ergebnisse am 4. Oktober in Molecular Psychiatry.

So einfach es aussieht, so lange hat es gedauert

So einfach das Ergebnis auch aussieht, ist das etwas, was diesem Forschungsfachgebiet in den letzten 80 Jahren entgangen ist. Und das ist wirklich bemerkenswert – denn es ist sehr ungewöhnlich, bei einer so komplexen und heterogenen Erkrankung wie Autismus so starke Zusammenhänge zwischen Gehirnunterschieden und Verhalten zu sehen.

Es gibt verschiedene Theorien über die Unterschiede im Gehirn autistischer Menschen, und eine Reihe dieser Hypothesen basieren auf atypischer Konnektivität. Dies hat Synapsen zu einem wichtigen Forschungsgebiet gemacht. Synapsen sind die Art und Weise, wie Neuronen kommunizieren. Sie sind der grundlegende Mechanismus dafür, wie Informationen im Gehirn wandern und verarbeitet werden.

Frühere Studien haben die synaptische Konnektivität auf indirekte Weise gemessen, etwa durch Tiermodelle oder Post-mortem-Studien. Doch die Einführung eines neuen Elements in das PET-Scan-Protokoll ermöglichte es dem Forscherteam, die Konnektivität erstmals direkt – bei lebenden Menschen – zu beobachten.

Wie die Studie durchgeführt wurde

Insgesamt nahmen 12 autistische Erwachsene und 20 neurotypische Erwachsene an der Untersuchung teil.

Anschliessend wurde jeder Teilnehmer einem Gehirnscan unterzogen, bei dem sowohl Magnetresonanztomographie (MRT) als auch PET-Technik zum Einsatz kamen. Der MRT-Scan ermöglichte es den Forschern, die Gehirnanatomie jedes Teilnehmers detailliert zu visualisieren. Vor dem PET-Scan injizierten die Forscher einen neuartigen Radiotracer namens 11C-UCB-J, der gemeinsam mit dem Yale PET Center entwickelt wurde und es ihnen ermöglichte, die synaptische Dichte im Gehirn zu messen.

Ergebnisse

Die Forscher fanden heraus, dass autistische Menschen im gesamten Gehirn eine um 17 % geringere Synapsendichte aufwiesen als neurotypische Personen. Darüber hinaus stellten sie fest, dass eine geringere Synapsendichte bei diesen Personen signifikant mit der Anzahl von Unterschieden in der sozialen Kommunikation korrelierte, wie z. B. reduziertem Augenkontakt, repetitivem Verhalten und Schwierigkeiten beim Verstehen sozialer Signale. Mit anderen Worten: Je weniger Synapsen eine Person hatte, desto mehr autistische Merkmale zeigte sie.

Muss der ICD-11 bereits wieder neu geschrieben werden?

Die Untersuchung der zugrunde liegenden Mechanismen von Autismus könnte Forschern dabei helfen, Untergruppen innerhalb der Krankheit besser zu definieren. Früher war die Forschung anmassend genug, Untergruppen zu bilden, ohne die Krankheit wirklich zu verstehen. Im ICD-10, welcher 1994 in Kraft trat, wurden drei Kategorien unterteilt. Asperger-Syndrom (ASD), tiefgreifende Entwicklungsstörung (PDD-NOS) und autistische Störung. Dann musste man im ICD-11 (2022) den Stolz herunterschlucken und diese Kategorien verwerfen, weil sie nicht funktionierten.

Heute ist im ICD-11 standardmässig eine breite, unspezifische Kategorie von Autismus definiert. Die Forscher hoffen nun, dass ihre Arbeit dazu beitragen wird, Autismus in besser definierte Untergruppen zu unterteilen, was wiederum Spezialisten helfen wird, die grosse Bandbreite an Merkmalen, die autistische Menschen aufweisen können, besser zu verstehen.

Man weis aber immer noch nicht, woher Autismus kommt

Es ist noch unklar, ob autistische Menschen mit weniger Synapsen geboren werden oder ob dieser Unterschied eine Folge des Lebens mit Autismus ist. Doch PET-Scans könnten Ärzten eines Tages möglicherweise dabei helfen, die Prognose eines Kindes vorherzusagen und es dem Pflegeteam ermöglichen, früher geeignete Interventionen durchzuführen. Und es wäre der Traum, Patienten und ihren Familien eine biologische Bestätigung geben zu können. Das würde vieles verändern.

In zukünftigen Studien untersucht das Team die Verwendung nicht radioaktiver Methoden, die weniger kosten als PET-Scans, um das autistische Gehirn direkt zu untersuchen. Sie sind auch daran interessiert, Synapsen in jugendlichen Gehirnen zu messen, um besser zu verstehen, wie sich diese mit zunehmendem Alter entwickeln können. Schliesslich plant das Team zu untersuchen, wie sich ihre Ergebnisse auf andere mit Autismus verbundene Folgen auswirken. So sind autistische Personen beispielsweise einem höheren Risiko für psychische Probleme wie Depressionen oder Angstzustände ausgesetzt als neurotypische Menschen.

Weitere Informationen auf https://medicine.yale.edu/childstudy/

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