Falls Sie sich in der Literatur zum Thema Autismus etwas eingelesen haben, oder auch in Blogs wie diesem hier gelesen haben, werden Sie immer wieder auf den Begriff neurotypisch stossen. Was der Begriff bedeutet, erfahren Sie hier.

Neurovarianzen

Zur Unterscheidung in der Literatur werden die folgenden Begriffe verwendet:

Neurotypisch

Neurologisch typisch, dh ohne einen definierten neurologischen Unterschied.

Neurotypisch (für neurologisch typisch, kurz NT, auch norm-neuro) ist ein Neologismus, welcher dann verwendet wird, wenn man sich auf jene Menschen bezieht, welche keinen Autismus haben. Das sind also jene Menschen, deren neurologische Entwicklung und Status mit dem übereinstimmen, was die meisten Menschen als normal bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten und Sozialkompetenzen betrachten.

Das Wort «neurotypisch» wurde in den 1990er Jahren von der «Autism Rights» Bewegung erfunden, die sich für Rechte von Autisten einsetzt. Sie wollten damit Menschen bezeichnen, die nicht autistisch sind, damit man einen Begriff dafür hatte. «Neuron» kommt von «Gehirnzelle». Man erfand das Wort «neurotypisch», weil Autisten nachweislich keine typischen Gehirne haben. Einzelne Gehirnbereiche sind grösser, andere kleiner, und manche anders geformt. Ausserdem arbeiten ihre Gehirne bei bestimmten Aufgaben anders.

Das Wort „neurotypisch“ wurde mit der Zeit auch von den Wissenschaft übernommen, aber in etwas abgewandelter Bedeutung verwendet. Demnach ist jeder neurotypisch, der ein typisches Gehirn hat, also sind z. B. Menschen mit ADHS, Dyslexie, Epilepsie u. ä. ebenfalls nicht neurotypisch. Das Wort «neurotypisch» existiert also in zweierlei Bedeutung, einmal in der Bedeutung «nicht-autistisch», und einmal in der Bedeutung «nicht auffälliges Gehirn».

Allistisch

Das Wort «allistisch» bedeutet ebenfalls «nicht-autistisch». Im Gegensatz zu «neurotypisch» konnte sich «allistisch» jedoch nicht durchsetzen. Man hört diesen Begriff eher selten.

Neurodivergent

Ein Überbegriff, welcher Menschen mit unterschiedlichen psychischen Unterschieden und Verhaltensunterschieden / -störungen einschliesst.

Der Begriff bezieht sich auf Personen mit Stimmungsstörungen, Angststörungen, dissoziativen Störungen, psychotischen Störungen, Persönlichkeitsstörungen, neurologischen Entwicklungsstörungen und Essstörungen. Beachten Sie, dass der Begriff «Störung» in einigen Fällen sehr fragwürdig ist.

Der Neologismus Neurodiversität entstand in den späten 1990er-Jahren als Kritik an der vorherrschenden Meinung, neurologische Diversität sei inhärent pathologisch. Er hat seinen Ursprung in der Neurodiversitätsbewegung und stammt aus den 1990er-Jahren. Sein Ursprung wird Judy Singer zugeschrieben, einer australischen Sozialwissenschaftlerin, die zu Autismus forscht und diese Begriffsbildung in Zusammenhang mit einem neuen neurologischen Selbstbewusstsein setzt.

Grafik

Schauen Sie sich das Euler-Diagramm unten an, um zu visualisieren, was diese Begriffe umfassen und mit welchen Begriffen sie sich überschneiden.

neurotypisch

Wie nennen sich Autisten selber

Autisten empfinden ihre autistischen Eigenschaften als zu ihrer Person gehörig und identifizieren sich damit. Die Bezeichnungen «Autist» und «autistischer Mensch» beziehen sich auf dieses autistische Identitätsempfinden. Man hat nicht Autismus, sondern man IST autistisch. Manche autistische Menschen bevorzugen es, lieber als «Mensch mit Autismus» bezeichnet zu werden, da sie nicht auf ihren Autismus reduziert werden wollen. Es spielt aber nicht wirklich eine Rolle, wie man es sagt. Es stimmen eigentlich alle hier genannten Begriffe.

Hochfunktionale Autisten (Asperger-Syndrom) bezeichnen sich sehr oft auch als Aspie, eine Kurzform von Asperger-Syndrom. Diese Kurzform wird innerhalb der Autismus-Community sehr gerne verwendet. Das Asperger-Syndrom wird aber im neuen ICD 10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) nicht mehr als Asperger-Syndrom vorhanden sein, sondern als Autismus-Spektrum-Störung bezeichnet. Es wird interessant zu sehen sein, welche neue Namensgebung sich die Aspie-Community dann geben wird.

Ich auf alle Fälle habe mich nie als Aspie bezeichnet, sondern verwendet den Begriff Autist.

7 Antworten

  1. Flo sagt:

    Hallo, da steht „wurde mit der Zeit auch von den Wissenschaft übernommen“. Könnte man das bitte zu „von der Wissenschaft“ (wobei das etwas vage definiert wäre) korrigieren? Gruß, eine autistische Person.

    • Mark sagt:

      Hallo Flo
      Wissenschaft ist ein breites Feld. Leider kennen wir nicht jeden Wissenschaftler persönlich, welcher sich mit Autismus beschäftigt. Solche Informationen werden in einschlägigen Fachliteraturen veröffentlich, oftmals in zusammengefasster Form. Sollten wir aber herausfinden, wer genau diese Wissenschaftler waren, werden wir das gerne nachliefern.

  2. HansiPeti sagt:

    Wo ist mein Kommentar

    Lg. Hans Peter

  3. Joy sagt:

    Sehr spannend! Ich merke das viele Nichtbetroffene Autismus und Asperger noch komplett trennen. Ich selber bin aber sehr gehemmt das Wort Asperger zu benutzen. Autismus verbinden leider viele mit Vorurteilen und ausschliesslich dem frühkindlichen Autismus. Ich hoffe das in Zukunft besser über ASS aufgeklärt wird und sich die Sprache weiter entwickelt. Es überfordert mich auch wenn ich gefragt werde an welchem Ende des Spektrums ich mich befinde.

    • Markus sagt:

      Hallo Joy, danke für dein Feedback. Asperger ist ein Begriff, welcher noch sehr verbreitet ist und auch heute noch von vielen Betroffen selber verwendet wird. Ich sage meistens folgendes: „Ich liege im Spektrum des hochfunktionalen Autismus. Früher nannte man es Asperger, heute Autismus-Spektrum“. Wer mehr wissen möchte, wird von sich aus nachfragen. Dann ergänze ich gerne mit weiteren Informationen. Für mich ist Asperger kein Schimpfwort oder etwas peinliches, auch wenn man Hans Asperger mit der Nazizeit in Verbindung bringt. Heutzutage wird leider vieles moralisiert. Auch ich mag keine Nazis. Doch Asperger lebte halt zu jener Zeit. Irgendwann muss man halt auch mal die Vergangenheit ruhenlassen können. Ruhenlassen – aber nicht vergessen. Unser Fokus muss die Zukunft sein. Damit wir es besser machen und einander helfen und unterstützen, anstatt uns zu bekämpfen.

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