Haben Babys Autismus, weil ihre Mütter ein Novartis-Medikament eingenommen haben?

Eine Schwangere nahm acht Wochen lang einen Wehenhemmer, den Novartis aggressiv beworben hatte. Für sie ist klar: Ihre Zwillinge leiden heute deswegen an Autismus.

Die heute 31-jährigen amerikanischen Zwillinge  leiden an Autismus. Ihre Mutter hat eine Vermutung, warum die Mädchen an der neurologischen Krankheit leiden: Sie erhielt 1993, als sie mit den Zwillingen in der 28. Schwangerschaftswoche war, das Novartis-Medikament Terbutalin. Gemäss Studien entwickeln Kinder, deren Mütter das Mittel einnehmen, ein um 400 Prozent höheres Risiko, an Autismus zu erkranken.

Klage eingereicht

Die Zwillinge, ihre Mutter und weitere Betroffene haben deshalb letzte Woche am Superior Court of California eine Klage gegen Novartis eingereicht. Die insgesamt fünf Klägerinnen und Kläger werfen der Pharmafirma nicht nur vor, trotz der bekannten Risiken ihr Produkt aggressiv beworben zu haben. Novartis habe zudem nicht ausreichend vor den Gefahren für die ungeborenen Kinder gewarnt. Dies berichtete am Mittwoch die Nachrichtenagentur Reuters.

Beim Medikament Brethine oder Terbutalin handelt es sich um ein Asthmamedikament, das experimentell ab den 1970er-Jahren auch als Mittel gegen vorzeitige Wehen eingesetzt wurde. Laut der Anklageschrift wusste Ciba-Geigy, die spätere Novartis, von dieser zunehmend verbreiteten «off-label»-Anwendung bei werdenden Müttern.

In einem internen Memo von 1983 warnte ein Novartis-Manager vor möglichen Schäden. Denn der Konzern hatte in klinischen Studien nie überprüft, wie das Medikament für diese Anwendung wirkt. Dementsprechend gab es auch keine Zulassung für die Behandlung von vorzeitigen Wehen. Um drohende Klagen abzuwenden, schlug der Manager vor, klinische Studien für diese Indikation durchzuführen – oder die Ärzte vor einer solchen Anwendung zu warnen.

Hunderttausende Amerikanerinnen mit Babys betroffen

Tatsächlich passierte das Gegenteil. Novartis ging nicht dazu über, die mutmasslich gefährliche Anwendung zu unterbinden. Der Konzern engagierte stattdessen einen angesehenen Professor der University of Californa, San Francisco. Dieser verteilte ab 1984 an medizinischen Fachkonferenzen Broschüren, mit denen er für die angebliche Wirksamkeit des Medikaments bei vorzeitigen Wehen warb. Der Konzern bezahlte dem angesehenen Mediziner auch 46’000 Dollar für die Veröffentlichung einer wohlwollenden Studie in einer Fachzeitschrift.

Die Werbeoffensive zahlte sich aus. Bis 1998 verschrieben Tausende US-Ärzte ihren Patientinnen das Mittel. 260’000 amerikanische Mütter erhielten es jedes Jahr. Zwei Drittel des jährlichen Umsatzes von 20 Millionen Dollar, der Terbutalin generierte, entfiel auf die Anwendung gegen vorzeitige Wehen. Im Jahr 1997 reagierte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA, da das Medikament möglicherweise das Hirn des ungeborenen Kindes schädigen könne.

Es forderte Novartis auf, klinische Studien durchzuführen und so eine offizielle Zulassung zu erhalten. Doch der Hersteller lehnte ab. Gleichzeitig begann die FDA, die Bewerbung des Mittels genauer zu untersuchen. Es folgte eine jahrelange Auseinandersetzung. Erst im Jahr 2011 verpflichtete die Behörde die Hersteller, die Patientinnen vor den Gefahren des Mittels zu warnen. In der Zwischenzeit hatten Dutzende Studien den Verdacht erhärtet: Bei Versuchen mit Mäusen bestätigte sich, dass Terbutalin das Hirn des Nachwuchses schädigen kann.

Risiken seien unbekannt gewesen

Die Mutter der beiden betont in der Klageschrift, ihr Arzt habe sie damals nicht auf die Risiken aufmerksam gemacht. Hätte sie gewusst, dass Terbutalin Autismus auslösen kann, hätte sie auf das Medikament verzichtet. Auch ihr Arzt hätte es ihr nicht verschrieben. Erst im letzten November war die Mutter erstmals im Internet auf den Zusammenhang zwischen Terbutalin und Autismus gestossen, so die Anklage. «Novartis unternahm keine Schritte, um den Schaden einzudämmen, weil es Millionen an Umsatz gekostet hätte. Dass eine Pharmafirma die Öffentlichkeit bewusst in die Irre führt, um den Profit zu maximieren, ist verachtenswert und ekelerregend.»

Die fünf Klägerinnen fordern eine finanzielle Entschädigung. In welcher Höhe, ist nicht bekannt.

Bei Novartis heisst es auf Anfrage nur, man prüfe die Klage.

Einschätzung

Ob dieses Medikament wirklich Autismus auslösen kann, ist wohl nur schwer zu beweisen. Wie in Amerika üblich, geht es hier um Entschädigungen in Millionenhöhe. Und ich vermute, dass nicht wenige AmerikanerInnen versuchen, auf diese Weise zu viel Geld zu kommen. Das wird wohl auch in diesem Fall das Hauptmotiv zu sein. Die Mädchen haben bezüglich dieser Klage keinen Nutzen.

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