«Unkonventionell, mit starkem Rückgrat und immer das Wesentliche im Blick». Greta Thunbergs politische Haltung sei vorbildlich, findet der Journalist Ralf Hutter. Möglich geworden sei sie durch Thunbergs Autismus. Mehr davon täte der Menschheit gut, ergänzte Hutter.

Weiter schreibt Hutter: «Greta Thunbergs politischer Aktivismus ist nicht ohne ihren Asperger-Autismus zu begreifen». Anschliessend meinte er ergänzend, dass Menschen im Autismus-Spektrum ein grosses Vermögen haben, Wesentliches zu fokussieren.

Zudem erwähnt Hutter noch einen zweiten Aspekt beim Asperger-Autismus, der für Greta Thunbergs Aktivismus noch wichtiger und charakteristischer wäre. «Autismus sorgt für Probleme bei der Interaktion mit anderen Menschen. So ist für Autisten nonverbale Kommunikation schwierig zu verstehen, auch mit Ironie und metaphorischer Ausdrucksweise haben Autisten tendenziell erst mal Probleme. Menschliche Kommunikation ist selten ganz direkt, sie ist normalerweise von sozialen Konventionen und Ritualen eingefasst. Diese Konventionen und Rituale sind Autistinnen und Autisten zunächst fremd, und das verleiht dem Autismus die politische Sprengkraft, die sich bei Greta Thunberg zeigt».

Dass Thunberg sich als 15-Jährige wochenlang ohne eine starke Organisation im Rücken mit einem Protestschild vor ein Parlament stellte, war extrem unkonventionell. Dahinter steckte im Grunde die Aussage: Es ist eigentlich aussichtslos, als Mädchen mit einem Schild vor einem Parlament etwas zu verlangen, aber ich tue es trotzdem, denn ich habe eine eminent wichtige Sache im Fokus, und ich orientiere mich nicht an Konventionen und Realismus.

Und Hutter sagte dann auch noch etwas spannendes: «Es gibt eine soziale Magie in zwischenmenschlichen Begegnungen, die uns oft nicht das tun oder sagen lässt, was wir eigentlich richtig finden». 

Und mit dieser Aussage hat er absolut recht. Sehr viele Menschen sagen nicht das, was sie wirklich denken. Deswegen leben wir in einer oftmals verlogenen Gesellschaft. Denn die Leute wollen sich nicht mit klaren Äusserungen positionieren, welche vielleicht die Beziehung zu irgendjemandem belasten könnte. Also sagen sie lieber nichts oder gehen mit der Meinung einer anderen Person einher, obschon sie eigentlich ganz anderer Meinung wären. Man möchte so die Beziehung zu lieb gewonnenen Menschen nicht belasten.

Und genau hier liegen die Stärken von Menschen im Autismus-Spektrum. Sie scheren sich nicht darum, was andere Leute denken oder meinen. Autisten stehen zu ihrer eigenen Meinung. Und die Meinung der Autisten beruht auf Wahrheit und Realität. Autisten behaupten nichts was nicht ist. Ihre Aussagen entsprechen der Faktenlage.

Zudem verdrängen Autisten die Wahrheit nicht, nur weil sie unbequem ist und zu Einschränkungen oder zu einer Anpassung des gesellschaftlichen Lebens führen könnten. Autisten erkennen ein Problem und haben auch die entsprechenden Lösungen parat. Und diese Lösungen sind sehr oft unkonventioneller Natur.

Aus Sicht von Autisten müssen Konventionen dahingehend gebrochen werden, dass die Gesellschaft darüber redet was wirklich wichtig ist.

Greta hat in einem Interview gesagt, dass sie die Welt anders sieht als die meisten anderen Menschen und deshalb eine Aussensicht auf zentrale Probleme habe. Und genau hier liegt halt eine der Stärken von Menschen im Spektrum. Sie erkennen die gesellschaftlichen Probleme, das gesellschaftlich Falschdenken. Autisten denken über das Persönliche hinaus. Sie denken weiter und globaler. 

Zugespitzt formuliert: Wenn eine ganze Gesellschaft das Problem ist, dann können diejenigen Menschen für positive Impulse sorgen, die nicht im Zentrum der Gesellschaft stehen. Autisten können in der Politik für das dringend benötigte starke Rückgrat sorgen. Wenn man sie denn beachten würde…

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